Die Chroniken von Waldsee Trilogie Gesamtausgabe: Dämonenblut Nachtfeuer Perlmond (German Edition)
er Rowarns Schritt hörte. »Junge, was ist mit dir geschehen?«, fragte er. Er klang besorgt.
»Das ist nichts weiter«, wiegelte Rowarn ab. »Aber Ihr seid auch nicht gesund.«
»Es zermürbt mich. Ich weiß nicht, was das ist, Rowarn«, gab Angmor zu und klang seltsam müde und niedergeschlagen. »Meine Kräfte müssten jeden Tag zunehmen, doch das Gegenteil ist der Fall. Ich werde immer schwächer, als würde etwas aus mir gesaugt. Doch nur bis zu einem gewissen Punkt. Wenn ich merke, dass ein neuer Anfall naht, und mich hinlege, hört es plötzlich auf, und dann geht es wieder aufwärts, bis ich mich stärker fühle. Daraufhin beginnt es von vorn. Es ist nichts, was mich töten würde, aber ich verstehe nicht, wie das möglich ist.«
»Vielleicht geschieht dasselbe mit Euch wie mit Tamron?«, überlegte Rowarn.
»Nein, es muss etwas anderes sein. Hier stimmt etwas nicht, Junge. Was Tamron geschieht und den armen Tröpfen, die in Dubhani umgewandelt werden, dürfte keinen Einfluss auf mich haben. Etwas ist jedoch an diesem Ort, das auch mir die Kräfte nimmt.« Der Visionenritter klopfte gegen das Gitter. »Das könnte mich normalerweise keinen Augenblick länger hier drin halten. Aber ich kann nicht einmal daran rütteln. Je mehr Kraft ich einsetze, desto schwächer werde ich.«
Rowarn ballte die Faust. »Heriodon muss das gefallen«, stieß er zwischen zusammengepressten Zähnen hervor.
Angmor betrachtete ihn einen langen Moment schweigend. Rowarn konnte seine Augen auf sich gerichtet fühlen. »Verstehe«, sagte er dann langsam. »Wie weit ist er schon gegangen?«
»Zweimal eine kaum merkliche Berührung am Hals, die mich ins ewige Leid von Scíanshàn schickte«, flüsterte Rowarn. »Seitdem habe ich …« Gib es zu, dann wird es leichter. Es gibt nichts, dessen du dich vor Angmor schämen müsstest . Seltsam, aber es war so. Was er niemandem sonst offenbaren könnte, war im Angesicht der unpersönlichen Maske leicht. »Ich habe Angst vor Schmerzen ... jedes Mal, wenn ich jetzt zu ihm gerufen werde, zittern mir die Knie, was er mir wieder antun wird …«
»Er will, dass du Angst hast, denn umso intensiver wird es. Umso gieriger ist er danach. Das ist seine Art, Macht auszuüben. Lass dich davon nicht beeindrucken, Rowarn. Der Schmerz vergeht, und es bleibt nichts zurück.«
»Es ist nicht nur der Schmerz.« Rowarn fühlte, wie Schamröte sein Gesicht überzog.
»Ja. Die Demütigung. Weil du hilflos ausgeliefert bist und keine Kontrolle mehr über dich hast. Als ob er dir ... Gewalt antäte. Du wärst nicht der Erste. Wenn es einen Gott der Folter gibt, so ist er es.« Angmors Stimme klang sanft. »Aber das ist nur dein Körper, Rowarn. Er kann es ertragen und heilen. Solange du Heriodon nicht in deine Seele lässt, kann er dir nichts tun. Betrachte deine Angst nicht als Feind und deinen Schmerz als neue Kraft. Nimm beides dankbar an, erkenne es als nächste Stufe für den Weg hinauf. Betritt die Stufe und geh weiter nach oben.«
Rowarn sah zu den Sehschlitzen in Angmors Helm auf, hinter denen kurz ein bläuliches Licht aufflackerte. »Habt Ihr so gelernt, Euer zerstörtes Gesicht anzunehmen?«
»Und den Schmerz zu ertragen, Rowarn.«
Getröstet verließ Rowarn den Visionenritter. Es gab immer einen Weg.
Rowarn kannte das Heerlager inzwischen sehr gut. Nur einem Ort darin hatte er sich bisher noch nicht genähert: dem großen Graben in der Mitte der Schlucht. Schon auf zwanzig Speerwürfe Entfernung war der Platz leer, kein Zelt, kein abgestecktes Areal befand sich mehr dort. Nicht einmal die Chalumi überflogen dieses Gebiet. Wie an einer unsichtbaren Grenze drehten sie vorher ab.
Manchmal hatte Rowarn überlegt, dorthin zu gehen. Niemand hatte ihm sagen können, wie tief der Graben war, und warum ausgerechnet um ihn herum das Zentrum des Heerlagers erbaut worden war. Und dennoch war Rowarn bisher nicht dort gewesen, obwohl es keine Wachen gab. Irgendetwas hatte ihn immer wieder davon abgehalten.
Daher war er überrascht, als Gonarg ihn zu sich rief und ihm mitteilte: »Heriodon trug mir auf, dich zum Graben zu schicken.« Er reichte Rowarn mit seltsam verzerrtem Gesicht einen kleinen ledernen Beutel.
Der junge Mann nahm den Beutel verdutzt in Empfang – und ging in die Knie. Fast stürzte er, weil ihn das unerwartet hohe Gewicht nach unten zog, und es hätte ihm beinahe den Arm ausgekugelt. Gonarg musste seine ganze Kraft aufgeboten haben, um Rowarn den Beutel so scheinbar lässig zu
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