Die Chroniken von Waldsee Trilogie Gesamtausgabe: Dämonenblut Nachtfeuer Perlmond (German Edition)
doch auch scheu.
Nachtfeuer, der nun Angmor war, verließ seine Kammer und machte sich auf die Suche nach Ylwa. Im Innenhof des Schlosses fand er sie schließlich. Sie saß am Brunnen und spielte mit dem Wasser, das aus den Speiern sprudelte. Ihre Haut bekam dabei einen ganz besonderen Schimmer und ihre tiefblauen Augen einen wundervollen Glanz.
Er setzte sich zu ihr und legte behutsam den Arm um ihre schmächtigen Schultern. Sie war so winzig neben ihm. Ein unbedachtes Muskelzucken, und die zarten Knochen wären zerschmettert. »Keine Alpträume mehr?«
Ylwa schüttelte den Kopf und lehnte sich an Angmor. Manchmal konnte er kaum glauben, welche unglaubliche Stärke in ihr ruhte. Sie sah so zerbrechlich aus. Nicht mehr als eine Eintagsfliege auf seiner Hand. Und doch hatte sie solche Macht über ihn. »Nein. Und ich sehe auch Femris nicht mehr vor mir, wie er meine Mutter tötet.«
»Verzeih mir.« Wie sollte sie, wenn er es selbst nicht konnte.
»Es gibt nichts zu verzeihen, Angmor. Außer, dass ich dich gehen ließ, obwohl ich spürte, dass du noch nicht so weit warst.« Sie sah ihn an, hob den Arm und strich mit dem Handrücken über seine raue, kantige Wange. »Du musst bald gehen und wieder deine Pflicht erfüllen. Lass dich nicht ablenken von deinen Gefühlen. Besinn dich auf deine dämonische Natur.«
»Wenn es um Rache und Liebe geht, sind Dämonen äußerst leidenschaftlich und kaum vom Verstand beherrscht«, sagte er lächelnd, strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht und küsste zart ihre Stirn. Viele zehntausend Jahre lagen zwischen ihnen. Was hatte dieses Kind nur mit ihm gemacht? Er war ihr Diener, ihr nicht nur durch den Eid verpflichtet. Er gehörte ihr ganz und gar und würde alles für sie tun, was sie nur verlangte. Sie beherrschte ihn, seinen Geist und seine Seele.
»Es ist für euch dasselbe, nicht wahr?«, meinte sie neugierig.
»Ziemlich.« Er ergriff ihre Hand und wurde ernst. »Es ist noch nicht vorbei, kleine Forelle. Ich sollte bleiben, bis ...«
»Sei nicht närrisch«, unterbrach sie lebhaft und bestimmt. »Ardig Hall beschützt mich, und ich bin inzwischen alt genug. Erinnerst du dich, wie die Ordensleute, denen du nun angehörst, auf mich gehört haben? Meinen Befehlen gehorchten? Ich bin die Königin, mein Wort Gesetz. Ich bin die Hüterin des Splitters und die Letzte der Nauraka, die das Meer verließen. Solange ich atme, wird Femris weder den Splitter bekommen, noch jemals die Finsternis nach Waldsee bringen.«
Über jeden anderen hätte er gelächelt, selbst wenn derjenige sehr viel älter als dieses Mädchen gewesen wäre. Aber bei ihr war es weder altklug noch übertriebener Eifer. Sie wusste genau, was sie wollte, und wie viel Kraft und Willen sie besaß. Ihr zartes Alter durfte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie einem Alten Volk entstammte, dessen Erbe und Erinnerungen sie in sich trug. Ihre Mutter hatte sie von frühester Kindheit an auf ihre künftige Aufgabe vorbereitet und ausgebildet. Ylwa besaß bereits jetzt mehr Wissen, als viele in ihrem ganzen Leben zusammentragen konnten.
Trotzdem war Angmor nicht wohl dabei, sie ganz allein hierzulassen. Jahrelang hatte er sie beschützt und heranwachsen gesehen. »Dann soll wenigstens Graum bei dir bleiben«, beharrte er.
»Auf keinen Fall«, lehnte sie entschieden ab. »Ihr beide habt genug dort draußen zu tun. Solange ihr verhindert, dass feindliche Truppen vor Ardig Hall aufmarschieren, brauche ich mich hier drin nicht zu fürchten.«
»Ich werde kommen, so oft ich kann«, versprach er. Und vermisste sie bereits in diesem Moment. Aber er beugte sich ihrem Willen und ging.
Doch es sollten über siebenhundert Jahre vergehen, bis er wieder nach Ardig Hall kam. Erst nach jener Schlacht vor achtzig Jahren, in der Olrig und Angmor Seite an Seite gekämpft hatten, als Femris geschlagen nach Dubhan floh und jedermann hoffte, dass er dort sehr lange, am besten für immer, bleiben musste.
»Melde mich deiner Herrin an«, sprach Angmor zur Torwache, unten an der großen Portaltreppe. »Sag ihr, der Visionenritter kehrt nach langer Zeit nach Hause zurück und bittet um eine warme Mahlzeit und ein weiches Bett für eine Nacht im Schutz dieser friedvollen Mauern.«
Der Posten entfernte sich getreulich, doch da erschien schon eine schimmernde Gestalt oben auf der Treppe, vor dem Eingang des Schlosses.
Ardig Hall hatte sich in all den Jahren kaum verändert; vielleicht war es ein wenig mehr von Pflanzen
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