Die Chroniken von Waldsee Trilogie Gesamtausgabe: Dämonenblut Nachtfeuer Perlmond (German Edition)
sie schließlich aufspürte. Ein kleines Mädchen, völlig verängstigt und verzweifelt, den Splitter fest umklammernd.«
»In wessen Diensten standest du damals?«, wollte Rowarn herausfordernd wissen.
»In den Diensten von Femris«, gestand Angmor ruhig. »Ich hatte den Auftrag, Ylwa und ihre Mutter zu töten, falls es ihm nicht gelänge. Er schickte mich, nachdem er selbst halbtot aus Ardig Hall fliehen musste.«
Rowarn versuchte, das Zittern seiner Finger unter Kontrolle zu bekommen. »Warum hast du es nicht getan?«
Zum ersten Mal kam Regung in den Visionenritter. Eine seltsame Sanftmut huschte über seine kalten, harten Züge, und seine Stimme sank zu einem Flüstern herab, als spräche er über etwas Heiliges. »Du hast sie nicht gesehen. Und du hast die Worte nicht gehört, die dieses verstörte und doch so weise kleine Mädchen zu mir sagte. In dem Moment, als sie in meine Augen blickte, wusste sie, dass ich ihr niemals etwas antun würde. Und so war es auch. Ich blieb bei ihr und beschützte sie insgeheim. Für die Welt, vor allem für Femris, aber war Nachtfeuer seither verschwunden.«
Für einen Moment stockte er. »Femris muss schließlich doch hinter die Wahrheit gekommen sein. Deshalb schickte er nach all den Jahren den Nachtfeuer-Similu, einen Doppelgänger aus Lehm, der nur für den einzigen Zweck geschaffen war, um deine Mutter zu töten.« Er ballte die Hand zur Faust. »In dem Zelt vor Ardig Hall ... als ich dich berührte ... sah ich, was geschehen war. Deswegen ... geriet ich so außer Fassung, denn wenn ich mir vorstelle, dass mein Gesicht das Letzte in ihrem Leben war, was sie sah ... wie kann sie je Frieden finden?« Er stieß einen Laut aus, der wie ein Stöhnen klang. »Von allen Taten Femris' war dies seine grausamste ... seine schreckliche, doppelte Rache an mir und an ihr ...«
Rowarn schluckte. Auch ein Dämon konnte also leiden; das konnte nicht vorgetäuscht sein.
»Dann ... bist du mein Vater?«, fragte er leise. »Oder war auch dies nur eine Lüge?«
Angmor neigte das schwere gehörnte Haupt. »Die zweite Erkenntnis, dass du mein Sohn bist, raubte mir damals endgültig das Bewusstsein.«
»Es war also gar keine Vision«, vermutete der junge Ritter.
»Doch, Rowarn. Ich hatte keine Kraft mehr, der Flut der auf mich einstürzenden Bilder standzuhalten. Ich wollte ... durfte es dir nicht sagen, aber ... ich konnte es nicht mehr zurückhalten. Ich hatte völlig die Kontrolle verloren. Was da über mich kam ... ich weiß es nicht.«
»Ich weiß es dafür umso besser«, mischte sich Graum ein und sah Rowarn an. »Er hat sie wirklich geliebt, Rowarn. Er hätte deiner Mutter niemals ein Leid antun können. Auch das ist die Wahrheit. Der Schock der Erkenntnis, dass es dich gibt, hat ihm kurzzeitig den Verstand geraubt, nach allem, was vorgefallen war«, stellte der Schattenluchs auf seine Weise dar, wie er die Dinge sah. »Und so platzte er mit dieser sinnlosen Offenbarung heraus, weil er keine Ahnung hatte, wie er den vertrackten Knoten auflösen sollte. Dann verabschiedete er sich in eine gnädige Ohnmacht, als er merkte, dass dadurch alles nur noch schlimmer wurde.« Sein Kopffell sträubte sich, und seine Schnurrhaare zitterten. »Von allen Dummheiten, die du je begangen hast, war das die Krönung!«
»Hör auf damit«, sagte Angmor. »Anschuldigungen machen es nicht besser. Ich kann nicht rückgängig machen, was geschehen ist. Doch in einem hast du recht, Kater: Es war jetzt an der Zeit, endlich diesen, wie du es nennst, vertrackten Knoten aufzulösen. In dieser Hinsicht danke ich dir für den Anstoß und verzeihe dir deine Respektlosigkeit.«
Graum fauchte, zog aber ein wenig den Kopf ein und sagte nichts mehr dazu.
Rowarn schwirrte der Kopf, was nicht verwunderlich war. Er bemühte sich, seine Gedanken zu ordnen und die verworrene Geschichte auf eine Linie zu bringen. Also hatte nicht Nachtfeuer selbst Rowarns Mutter ermordet, sondern nur ein Trugbild des Dämons, erschaffen und benutzt von einem anderen – Femris –, aus Machtgier und Rache. Warum glaube ich ihm? , fragte sich Rowarn. Warum soll es jetzt nach all den Lügen auf einmal die Wahrheit sein?
Forsche in dir , ermahnte ihn eine andere Stimme. Du weißt es doch längst, dass er die Wahrheit spricht. Du siehst sie in seinen Augen, die auch die deinen sind.
»Aber wie wurdest ausgerechnet du Visionenritter?«, fragte er, als er glaubte, sich einigermaßen durchgefunden zu haben und neu anfangen zu
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