Die Chroniken von Waldsee Trilogie Gesamtausgabe: Dämonenblut Nachtfeuer Perlmond (German Edition)
geschafft, Noïrun aus dem Gleichgewicht zu bringen. Olrigs Axt zuckte hoch. Dann sagte der Fürst: »Du hast ihn benutzt.«
»Es war nur möglich, weil er die Tür öffnete. In diesem Moment sah ich dich durch seine Augen, und diesen da.« Heriodon wedelte mit der Hand in Olrigs Richtung.
»›Dieser da‹ wird dir gleich ein Lied über eine singende Axt beibringen, du unverschämter mischblütiger Bastard«, knurrte der Kriegskönig.
Heriodon beachtete ihn nicht. »Es war eine Überraschung, dass dir dein Täuschungsspiel erneut geglückt ist und du wiederum einen anderen den Heermeister für dich spielen lassen konntest. Immerhin konnte ich die Sache selbst in die Hand nehmen, da ich gerade auf der Suche nach Rowarn war. Nachdem ich wusste, dass ihr zusammen seid, kam als Ort nur Farnheim in Frage, es liegt günstig zu Dubhan, wenn man ein gutes Versteck braucht. Dass du als Nächstes gegen Femris ziehen würdest, war nicht schwer zu erraten. Es gibt nicht viele Wege, die von Farnheim direkt nach Dubhan führen, also brauchte ich mich nur zu postieren.« Heriodon zeigte ein böses Grinsen. »Hier seid ihr am Ende eures Weges angekommen.«
Olrig umfasste den Griff seiner Axt fester. »Der Kerl hat keine Ahnung, mit wem er sich angelegen will«, grollte er.
Der Fürst lächelte. »Nicht die geringste.« Er deutete hinter sich. »Weil ich bereits ahnte, dass du einen Hinterhalt gelegt hast, habe ich dafür gesorgt, dass die anderen sich darum kümmern werden. Du hast Glück, dass ich mich deiner annehme, denn einige haben darauf bestanden, Rache an dir nehmen zu dürfen.«
»Und du nicht?«, fragte Heriodon lauernd.
»Ich hege keinen Groll gegen dich, Heriodon. Was du mir angetan hast, hat mich zu dem Mann gemacht, der ich heute bin. Obwohl mein Vater für meine Ausbildung bezahlt hat, stehe ich also gewissermaßen in deiner Schuld, wegen der ... unbezahlten Zugabe.« Langsam zog der Fürst sein Schwert. »Die werde ich heute begleichen. Sei dankbar, dass ich es tue, denn ich werde dir einen schnellen, gnädigen Tod schenken.«
»Lächerlich.« Der Graue zog ebenfalls blank. »Du warst mein Schüler, ich weiß, wie du kämpfst. Ich habe es dir beigebracht. Ich bin der beste Schwertkämpfer von Waldsee.«
Noïrun lachte. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass du gegen einen Annatai wie Halrid Falkon bestehen könntest, denn dieses Volk hat die Kunst des Kampfes perfektioniert. Ich glaube auch nicht, dass du Angmor besiegen könntest, denn er hat die Kunst der Annatai gelernt, als er dem Orden beitrat, und er war damals schon nahezu perfekt im Kampf. Aber gegen mich anzutreten? Das ist hoffnungslos, alter Mann. Ich war damals schon besser als du. Ich habe dich nur deshalb nie besiegt, weil ich dafür nicht noch mehr Schmerzen erdulden wollte. Mir genügte es zu wissen, dass ich es konnte.«
In Heriodons Augen entzündete sich ein wilder Funke. »Du wagst es ...«
»Du hast keine Macht mehr über mich«, unterbrach Noïrun. »Stirb jetzt, Heriodon, und mit ein bisschen Würde, wenn ich bitten darf, als mein ehemaliger Lehrmeister.«
Und so tauschten sie die ersten Schläge, wie einstmals zu Beginn ihrer Übungen. Es war, als hätte der Fürst zwanzig Jahre lang nur auf diesen einen Moment gewartet, auf die Vervollkommnung seiner Kunst, seine Meisterprüfung.
Nichts anderes war mehr in seinen Gedanken, die er vollständig leerte. Er empfand weder Wut noch Hass. In diesem Moment vergaß er auch, wer er war, was ihn vorantrieb, was sein Herz schon so lange quälte. Er war das Schwert, war Harmonie, Höhepunkt der Kunst, hingegeben an die Bewegung, die ihn mit sich nahm und auflöste, ihn eins machte mit allem, was um ihn war. So wurde er zum Ast, der sich wiegte im Sturm, weich und nachgiebig, doch unbeugsam und niemals brechend. Und zum Gras, das mit dem Wind sang, das immer wieder spross, egal wie oft es niedergetrampelt und abgefressen wurde. Und zum Büffel, der ewig über die Weiden zog, langsam und stetig, niemals innehaltend. Eine Front bildete er gegen den Angreifer, hornbewehrt, starr wie eine Mauer, die selbst dem Rammbock widerstand. Und da war der Waldlöwe, ein Wesen ganz allein, gefürchtet von der Welt, und das doch nichts anderes wollte als seinen Hunger zu stillen, ganz ohne Streben nach Macht und Unterdrückung. Ein Wesen voll perfekter Eleganz, lebendiger Tod, unüberwindlich, anmutig und hingegeben.
Macht strömte durch die Luft, Noïrun konnte sie spüren. Sie bündelte sich,
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