Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Chronolithen

Die Chronolithen

Titel: Die Chronolithen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Meißener Porzellan und tropische Fische. Aber es ist nichts Ernstes.«
    Wie auch? Sue lebte ihre Liebschaften beinah aus der Distanz heraus, respektvoll und pessimistisch.
    Ihre große Liebe war die Arbeit, und über die redete sie am liebsten. »Tatsache ist, Scotty, wir hatten einen winzigkleinen Durchbruch. Das treibt uns alle um. Das Meiste ist topsecret, aber da das Netz vor Gerüchten schwirrt, kann ich dir ein bisschen was erzählen.«
    Sie erzählte mir wahrscheinlich mehr, als erlaubt war, doch viel kapierte ich ohnehin nicht. Der Kern war, dass es jemandem vom MIT gelungen war, negative Tau-Partikel aus dem Vakuum zu hexen (das nichts anderes als ein siedender Hexenkessel aus lauter, wie die Physiker sagen, virtuellen Teilchen ist) und sie lange genug am Leben zu erhalten, um den Effekt zu demonstrieren. Hadronen mit prinzipiell negativer Lebensdauer. Sie meißelten, wenn man so will, Löcher in die Vergangenheit – etwa eine Millisekunde tief, nicht Kuins zwanzig Jahre und drei Monate, aber es war eben im Grunde das gleiche Phänomen.
    »Wir sind kurz davor«, sagte Sue, »genau zu verstehen, was Kuin macht. Vielleicht wissen wir bald mehr als er. Über kurz oder lang werden wir ganz neue Technologien auf den Weg bringen. Interstellare Raumfahrt, Scotty: eine reale Möglichkeit!«
    »Ist das wirklich so wichtig?«
    »Natürlich ist das wichtig! Wir reden hier über eine potenziell neue Ära in der Geschichte dieser verdammten Spezies – ja, es ist wichtig!«
    »Kuin hat bereits seine Fingerabdrücke auf dem halben Planeten hinterlassen. Mir wird speiübel bei dem Gedanken, wir könnten ihm das Tor zu den Sternen öffnen.«
    »Gut, aber das ist dann auch kein Problem mehr. Wenn wir herausfinden, wie ein Chronolith funktioniert, können wir mitmischen. Wenn wir es richtig anstellen, könnten wir einen Chronolithen einfach zum Verschwinden bringen.«
    »Und was ist damit erreicht?« Die letzten Tage hatten meinen Zynismus gesteigert. »Es ist ein bisschen spät dafür, findest du nicht?«
    »Nein«, sagte sie, »finde ich nicht. Vergiss eins nicht, wir haben nicht Kuin zu fürchten. Nicht einmal die Chronolithen. Es ist die Rückkopplung, Scotty, das Feedback. Das wirkliche Problem hier ist die Wahrnehmung seiner Unbesiegbarkeit, die auf der Unbesiegbarkeit seiner Monumente beruht. Eins zu zerstören heißt den Mythos zu zerstören. Mit einem Schlag ist er nicht mehr die Allmacht in Person, sondern nur noch ein Hitler- oder Stalinverschnitt.«
    Trotzdem mochte es inzwischen zu spät sein.
    »Nicht, wenn wir seine Schwäche demonstrieren können.«
    »Und kannst du?«
    Sie hielt inne. Ihr Lächeln zuckte. »Na ja, vielleicht. Vielleicht schon bald«, meinte sie.
     
    Aber nicht rechtzeitig genug für Kait, die vermutlich in Mexiko war, durchdrungen von ihren Ideen über Kuins Unbesiegbarkeit und seinen Verheißungen. Ich machte Sue darauf aufmerksam, dass ich noch zu tun hatte. Sie sagte: »Tut mir Leid, wenn ich dich aufgehalten hab, Scotty, aber ich halte es wirklich für wichtig, dass wir in Verbindung bleiben.«
    Denn ihre pseudo-jungsche Idee, unser beider Zukunft sei dank Kuin miteinander verflochten, hatte sie natürlich nicht aufgegeben.
    »Egal, warum ich wirklich anrufe«, sagte sie. »Ich habe mit jemandem gesprochen. Und er will dir helfen.«
    »Nicht Morris«, sagte ich. »Morris ist mir lieb und teuer, aber selbst Morris wird zugeben, dass er mit so was keine Erfahrung hat.«
    »Nein, nicht Morris, obwohl er gerne helfen würde. Nein, der Mensch hat total andere Qualifikationen.«
    Jetzt hätte es bei mir klingeln müssen. Sue hatte von allen den tiefsten Einblick in meine Vergangenheit, vor allem in meine Zeit in Chumphon. Aber ich war wie vernagelt.
    »Vielleicht erinnerst du dich«, sagte sie. »Er heißt Hitch Paley.«

 
VIERZEHN
     
     
    Irgendwann im Laufe der Woche – bevor Hitch eintraf, bevor die ersten Ereignisse aus dem Ruder liefen – sagte Ashlee mitten in einem Telefongespräch: »Kennst du die Charles-Dickens-Geschichte A Christmas Carol?« [xxvii]
    »Was ist damit?«
    »Ich habe über Kuin und die Chronolithen nachgedacht. Weißt du noch, wie dieser Scrooge in die Zukunft geht und sein eigenes Begräbnis sieht? Und er zu dem Geist sagt: ›Sind das die Schatten der Dinge, die sein müssen oder sein können?‹ Oder so ähnlich?«
    »Ja, und?«
    »Die Chronolithen, Scott, müssen die oder können die sein?«
    Das wisse niemand mit Sicherheit, sagte ich ihr. Doch wenn ich Sue

Weitere Kostenlose Bücher