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Die Chronolithen

Die Chronolithen

Titel: Die Chronolithen Kostenlos Bücher Online Lesen
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Jerusalem-Ereignis miterlebt hatte, nicht etwa, weil ihr Kuin etwas bedeutete, sondern weil es bedeutete, dass ich mich, wenn auch nur am Rande, unter Menschen aufgehalten hatte, die sie zu den relativ Wohlhabenden und einigermaßen Berühmten zählte. »Sie haben wenigstens etwas getan«, sagte sie, »nicht bloß auf der Stelle getreten.«
    Ich hielt ihr entgegen, sie habe auch nicht bloß auf der Stelle getreten: Für eine alleinstehende Frau sei es bestimmt nicht einfach gewesen, in dieser Wirtschaftskrise ein Kind großzuziehen.
    »Auf der Stelle treten«, sagte sie, »heißt nicht vom Fleck kommen. Und genau so kommt es mir mit Adam vor. Ich hab versucht, ihm zu helfen, aber ich kam nicht voran.« Sie hielt inne, dann drehte sie mir ihr Gesicht zu, ihr Ausdruck war weniger beherrscht als bisher. »Angenommen, sie sind wirklich nach Mexiko -Adam und Kaitlin und diese Clique. Was machen wir dann?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte ich. »Ich muss mit einigen Leuten reden.«
    »Würden Sie Kaitlin nachreisen, den ganzen Weg bis Portillo?«
    »Wenn ich ihr helfen könnte. Wenn es nützen würde.«
    »Aber Sie sind sich nicht sicher.«
    Mein Handy klingelte. Ich hatte auf Anrufbeantworter geschaltet, sah aber nach, wer da anrief. Es hätte Janice sein können, weil Kaitlin wieder aufgetaucht und alles bloß ein Missverständnis gewesen war. Oder Ramone Dudley, weil die Polizei Kaits Leiche gefunden hatte.
    Es war eine SMS von Sue Chopra. Sie hatte meine private Handynummer ausfindig gemacht (obwohl ich sie beim Verlassen von Baltimore geändert hatte) und bat mich, so bald wie möglich zurückzurufen.
    »Etwas Privates«, erklärte ich Ashlee.
    Sie brachte mich die Treppe hinunter und ging mit bis zum Auto. Sie gab mir die Hand. Es war spät, und die Straße lag verlassen. Die altmodischen Quecksilberdampflampen zauberten bernsteinfarbene Reflexe in ihr kurzes, blondgefärbtes Haar. Ihre Hand fühlte sich warm an.
    »Wenn Sie etwas herausfinden«, sagte sie, »höre ich von Ihnen. Versprochen?«
    Ich versprach es.
    »Rufen Sie mich an, Scott.«
    Ich glaube, sie wollte wirklich, dass ich sie anrief. Und ich glaube, sie hat nicht geglaubt, dass ich es tue.
     
    »Erst mal«, sagte Sue und lehnte sich über die Aufnahmeoptik, so dass ihr Gesicht das Videofenster des Motelterminals wie ein unscharfer brauner Mond ausfüllte, »will ich, dass du weißt: Ich bin nicht stocksauer darüber, wie du die Stadt verlassen hast. Ich habe volles Verständnis für deine Gründe, und wenn du zu dem Ergebnis gekommen bist, dass du mir nicht vertrauen kannst, bin ich vermutlich selber schuld. Trotzdem weiß ich nicht, Scotty, warum du immer das Schlechteste von den Menschen annimmst. Auf die Idee, wir hätten dir helfen können, bist du wohl nicht gekommen?«
    »Ihr wisst, was mit Kait ist?«
    »Wir haben uns informiert, ja.«
    »Ihr habt mit der Polizei geredet.«
    »Du tust, was du tun musst, aber du sollst wissen, dass du deswegen kein schlechtes Gewissen zu haben brauchst.« Etwas wehmütiger setzte sie hinzu: »Trotzdem möchte ich ab und zu mit dir reden. Was mich betrifft, arbeitest du immer noch hier. Ray ist ein guter Kontrast zur Mathematik, und Morris gibt sich alle Mühe zu verstehen, was wir so machen, aber ich brauche jemanden, der wach genug ist, um nichts zu übersehen, aber nicht in eingefahrenen Bahnen denkt.« Sie schlug den Blick nieder und fügte hinzu: »Aber vielleicht ist das nur eine Ausrede. Vielleicht brauche ich einfach nur jemanden zum Reden.«
    Das war unter anderem ihre Art, sich für die ganze Schinderei in den letzten Jahren zu entschuldigen. Aber ich hatte mich nie beschwert. Nur ihre Hypothesen zur Tau-Turbulenz hätten mir zum Verhängnis werden können, ansonsten war Sue sorgfältig bedacht gewesen, mich gegen die Allmächtigen abzuschotten. Diese Allmächtigen konzentrierten ihre Aufmerksamkeit seit kurzem auf andere Personen; aber Sue war trotz allem an unserer Freundschaft gelegen.
    Sie sagte: »Ich mach mir solche Sorgen wegen Kaitlin.«
    »Ich kann dir nicht mehr sagen, als dass sie noch nicht nach Hause gekommen ist. Ich will jetzt nicht spekulieren. Lenk mich ab. Erzähl was. Hat Ray eine Freundin gefunden? Und du?«
    »Trinkst du, Scotty?«
    »Ja, aber nicht genug, um die Frage zu rechtfertigen.«
    Sie lächelte traurig. »Okay. Ray streift immer noch durch die Wildnis. Ich treffe mich mit dieser Frau, die ich in einer Bar kennen gelernt habe. Ist ganz süß. Hat rotes Haar und sammelt

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