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Die Chronolithen

Die Chronolithen

Titel: Die Chronolithen Kostenlos Bücher Online Lesen
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Kinder umschwärmten die kürzlich neu gestrichenen Schaukeln und Klettergerüste.
    Wir gingen auf die menschenleere offene Tribüne. Unterwegs hatten wir uns zu essen gekauft, sehniges Hühnchenklein in Eierkuchenteig frittiert. Ashlee stocherte lustlos in ihrer Portion. Mit jeder Bewegung verriet sie ihr Unbehagen. Und ich das meine vermutlich auch.
    Ursprünglich hatte ich mir vorgenommen, ihr von Adam zu erzählen. Vor kurzem hatte ich mich dagegen entschieden. Kampflos. Mangels Mut wahrscheinlich. Ich war immer noch der Meinung, Ash verdiene es zu erfahren, dass Adam lebte. Aber Sue hatte auch Recht.
    Was es zu sagen gab, würde alles nur noch schlimmer machen.
    So sehr mein Gewissen protestierte, ich konnte mich nicht überwinden, ihr derart wehzutun. Aus solchen Entscheidungen ist das Schicksal vermutlich zusammengezimmert, Balken und Nägel, wie ein Galgen.
    »Erinnerst du dich noch an den Jungen?«, fragte Ashlee und betupfte ihre Lippen mit einer Serviette. »Der Kleine beim Baseball?«
    Es war an einem Samstag nicht lange nach der Hochzeit gewesen. Als wir herkamen, war ein Trainingsspiel der Little League im Gange. Wir teilten uns die Tribüne mit zwei Trainern und ein paar Eltern. Der Schlagmann war ein kleiner Junge, der aussah, wie er aufgewachsen war, mit Steaks und Steroiden, einer von den Elfjährigen, die sich morgens vor der Schule rasieren mussten. Der Werfer dagegen war ein blonder Streuner mit einem Talent für Bälle, die kurz vor der Home-Plate plötzlich absinken. Unglücklicherweise ging sein Wurf zu hoch über die Home-Plate. Der Ball prallte vom Schlagholz ab und kam zurück zum Werferhügel – etwas Richtung First-Base hatte den blonden Knirps abgelenkt, und noch ehe er den Handschuh oben hatte, traf ihn der Ball genau an der Schläfe.
    Stille, dann hörte man sie Luftholen, dann ein paar Schreie. Der Werfer stürzte mit aufgerissenen Augen zu Boden und blieb reglos auf dem kahlen Fleck Erde liegen, der als Werferhügel diente.
    Und jetzt das Komische. Wir waren weder Eltern noch Beteiligte, nur zufällige Zuschauer an einem faulen Samstag, aber ich rief bereits den Rettungsdienst an, als noch niemand nach seinem Handy griff; und Ashlee, eine ausgebildete Krankenschwester, war noch eher bei dem Jungen als der Trainer.
    Die Verletzung war nicht ernst. Ash hielt den Jungen still und beruhigte die fassungslose Mutter, bis die Sanitäter eintrafen. Nichts Ungewöhnliches an dem Unfall, außer dass Ash und ich so schnell reagiert hatten.
    »Ja, ich weiß noch.«
    »An dem Tag habe ich etwas begriffen«, sagte Ashlee. »Ich habe begriffen, dass wir beide auf das Schlimmste gefasst sind. Immer. Als würden wir es erwarten. Es muss an meinem Dad liegen.« Ashlees Vater war Alkoholiker gewesen, was Kinder allzu früh erwachsen macht; er war an Leberkrebs gestorben, als Ashlee gerade mal fünfzehn war. »An meinem Dad und an deiner Mom.« Auf das Schlimmste gefasst sein? Na, klar doch. Mir war, als hörte ich sie sagen: Scotty, hör auf, mich so anzusehen!
    »Und das sagt mir«, Ashlee wählte ihre Worte mit Bedacht, mied aber meine Augen, »dass wir ziemlich starke Typen sind. Wir haben schon ein paar üble Sachen durchgestanden.«
    So etwas Übles wie ein mordendes, von den Toten auferstandenes Kind?
    »Also ist alles im Lot«, sagte Ashlee. »Ich vertraue dir, Scott. Mach, was du für richtig hältst. Du musst es nicht erst in Watte packen. Du gehst mit ihnen, hab ich Recht?«
    »Ich bin bald wieder zurück«, sagte ich.

 
ZWEI +
ZWANZIG
     
     
    Wir überquerten die Staatsgrenze nach Wyoming an dem Tag, da der Gouverneur zurücktrat.
    Eine der sogenannten Omega-Milizen hatte seit knapp einer Woche die Legislative besetzt gehalten und eine der sechzig Geiseln war Gouverneur Atherton gewesen. Die Nationalgarde hatte die Situation schließlich klären können, doch Atherton hatte gleich nach seiner Freilassung abgedankt, aus gesundheitlichen Gründen. (Guten Gründen: Der Schuss hatte seine Leiste durchschlagen und die Wunde hatte sich entzündet.)
    Es gärte im »Land des weiten Himmels«, doch davon war von der Straße aus nichts zu sehen. Der grenznahe Highway war voller Schlaglöcher und das weite Farmland auf beiden Seiten war verwildert und ausgedörrt – weil sich das Oglalla Aquifer langsam aber sicher zurückzog. Starenschwärme bevölkerten das verrostete Gerippe der künstlichen Bewässerung.
    »Zu dem Problem trägt auch bei«, sagte Sue eben, »dass viele die Chronolithen als

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