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Die Chronolithen

Die Chronolithen

Titel: Die Chronolithen Kostenlos Bücher Online Lesen
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erfährt, dass ihr Sohn lebt und dass er ein Mörder ist?«
    »Ein Mörder?«
    »Ja. Es besteht nicht der leiseste Zweifel. Adam Mills gehört zum harten Kern der Kuinisten; er ist mehrfacher Mörder, er macht den Killer für eine der übelsten PK-Gangs im ganzen Land. Glaubst du wirklich, das sollte Ashlee wissen? Willst du ihr erzählen, ihr Sohn führt ein Leben, das ihn über kurz oder lang das Leben kosten wird oder hinter Gitter bringt? Und willst du zusehen, wie sie sich wieder und wieder grämt?«
    Ich zögerte. Ich hatte mich an Ashlees Stelle versetzt: Hätte ich sieben Jahre lang nicht gewusst, ob Kait Portillo überlebt hatte oder nicht, wäre mir jede Information recht gewesen.
    Aber Adam war nicht Kaitlin.
    »Überleg mal, was sie seit Portillo erreicht hat. Job, Familie, ein richtiges Leben – Gleichgewicht, Scotty, in einer Welt, die nicht eben überfließt davon. Du kennst sie bestimmt besser als ich. Aber denk drüber nach, bevor du ihr alles wieder wegnimmst.«
    Ich stellte die Frage zurück. Ich war nicht deswegen gekommen, nicht in erster Linie. »Ich würde ihr auch dann alles nehmen, wenn ich mit euch nach Westen ziehe – deine Idee, sagt Hitch.«
    »Ja, aber nicht für lange. Bitte setz dich, Scotty. Ich rede nicht gerne nach oben. Das bringt mich um.«
    Ich zog einen zweiten Deckchair heran und drehte ihn so, dass ich in die andere Richtung blickte. Hinter dem dampfbeschlagenen Fenster brütete die Stadt in der Nachmittagshitze. Fenster, Dachantennen und glimmerdurchsetzte Gehsteige gleißten in der Sonne.
    »Jetzt hörst du mir mal zu«, sagte sie. »Es ist wichtig, und ich möchte, dass du unvoreingenommen bist, auch wenn es dir schwer fällt. Ich weiß, wir haben dir eine ganze Menge vorenthalten, aber nimm uns das bitte nicht übel, wir mussten vorsichtig sein. Wir mussten uns vergewissern, dass du deine Meinung über Kuin nicht geändert hast – nein, nun tu nicht beleidigt, es sind schon ganz andere Dinge passiert – und dass du nicht in Copperheadkreisen verkehrst wie der Mann von Janice, dieser Dingsda, der Whitman. Morris handelt strikt nach dem Motto Vertraue keinem, obwohl ich gesagt habe, ich würde meine Hand für dich ins Feuer legen. Ich kenne dich schließlich, Scotty. Du warst von Anfang an der Tau-Turbulenz ausgesetzt. Genau wie ich.«
    »Ja, wir sind tau- verwandt. So ein Blödsinn, Sue.«
    »Es ist kein Blödsinn. Es ist auch nicht bloß Spekulation. Zugegeben, ich interpretiere, aber die Mathematik legt nahe…«
    »Mir ist egal, was die Mathematik nahe legt.«
    »Dann hör mir einfach zu, und ich sage dir, was ich für die Wahrheit halte.«
    Sie blickte beiseite, in eine imaginäre Ferne. Ich mochte diesen Gesichtsausdruck nicht. Er war ernst und reserviert, beinah unmenschlich.
    »Scotty«, sagte sie, »ich glaube nicht an Vorsehung. Vorsehung ist ein archaisches Konzept. Das Leben eines Menschen ist ein unglaublich komplexes Phänomen, weit weniger vorhersehbar als das Leben eines Sterns. Aber ich weiß auch, dass Tau-Turbulenz die Kausalität in beide Richtungen des Zeitstrahls versprengt. Ist es wirklich Zufall, dass ihr beide, du und Hitch, am Ende für mich arbeitet, oder dass Adam Mills, Ashlee, Hitch und du allesamt die Turbulenz in Portillo erlebt habt. Die Ereignisse in Chumphon stifteten eine Verbindung zwischen Hitch Paley und mir, das war nicht bloß Zufall; du kamst mit Ashlee zusammen, weil eure Kinder beim selben Hadsch mitmachten. Also, Scotty! Nimm mal ein paar Schritte Abstand. Alles verknüpft sich viel zu perfekt. Die Antezedenzien reichen nicht als Erklärung. Es muss ein Postzedens geben.« [xxxv]
    Dass Hitch sich mit Adam verheddert hatte. Mehr als Zufall. Aber auch nicht erklärbar. »Das ist Glaubenssache«, sagte ich leise.
    »Dann sieh mich an, Scotty! Siehst du die Macht, die ich in diesen Händen halte!« Dabei drehte sie die hellen Handteller nach oben. »Die Macht, einen von diesen Scheiß-Chronolithen zu stürzen! Das macht mich wichtig. Das macht mich buchstäblich zum Mitbegründer dieser Ereignisse. Ich bin ein Postzedens!«
    »Es gibt so etwas wie Größenwahn«, sagte ich.
    »Oder ich habe Recht! Stimmt es etwa nicht, dass ich zufällig in Sachen Chronolithenphysik weltweit zu den Besten zähle – das bilde ich mir doch nicht bloß ein. Stimmt es etwa nicht, dass du mit Hitch in Chumphon und Portillo gewesen bist oder dass wir beide in Jerusalem waren? Das sind Fakten, Scotty, und sie schreien nach einer Erklärung, die über

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