Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Chronolithen

Die Chronolithen

Titel: Die Chronolithen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
etwas Magisches betrachten – aber dem ist nicht so, es handelt sich um etwas Technisches, und die Dinger verhalten sich auch so.«
    Sie ließ sich nun schon seit fünf Stunden über die Chronolithen aus. Ich war aber nicht der einzige Zuhörer. Sue hatte darauf bestanden, das letzte Fahrzeug im Konvoi zu fahren, der unsere persönliche Habe sowie ihre Aufzeichnungen und Pläne enthielt. Wir – also Hitch, Ray und ich – wechselten uns auf dem Beifahrersitz ab. Sue hatte ihr normales obsessives Verhalten um eine nervöse Redseligkeit erweitert. Man musste sie ans Essen erinnern.
    »Magie kennt keine Grenzen«, sagte sie, »Magie ist bekanntlich nur durch die Erfahrung des Magiers oder die Launen der übernatürlichen Welt begrenzt. Aber die Grenzen der Chronolithen werden durch die Natur bestimmt, sie sind streng gezogen und völlig berechenbar. Kuin sendet seine Monumente ungefähr zwanzig Jahre in die Vergangenheit, weil dahinter die technische Barriere unüberwindlich wird – noch ein Stück weiter, und der Energiebedarf steigt logarithmisch, schnellt schon bei der winzigsten Masse gegen unendlich.«
    Unser Konvoi bestand aus acht großen geschlossenen Militär-Lkws und doppelt so vielen Vans und Mannschaftswagen. Sue hatte im Laufe der Jahre eine kleine Truppe gleichgesinnter Individuen zusammengestellt – mit einem harten Kern aus Hochschullehrern und graduierten Studenten, die die Tau-Interventionsapparaturen zusammengebaut hatten; als flankierende Maßnahme kam bei dieser Expedition noch das Militär hinzu. Alle Fahrzeuge waren im Blau der Vereinigten Streitkräfte gespritzt, so dass wir wie jeder andere Militärkonvoi aussahen, ein alltäglicher Anblick selbst auf diesen beinah entvölkerten Highways im Westen.
    Ein paar Meilen hinter der Grenze fuhren wir auf ein Zeichen des Leitfahrzeugs an den Straßenrand und standen Schlange, um an einer verwaisten kleinen Sunshine-Volatiles-Station aufzutanken. Sue schaltete die Klimaanlage aus, und ich fuhr mein Seitenfenster herunter. Der Himmel war grenzenlos blau, hier und da ein paar hohe Wolkenfetzen. Die Sonne stand fast im Zenit. Hinter einer braunen Wiese schwirrten Spatzen um einen rostigen Bohrturm. Die Luft roch nach Hitze und Staub.
    »Die Chronolithen unterliegen vielerlei Beschränkungen«, fuhr Sue in einem schläfrigen, leiernden Tonfall fort. »Die Masse zum Beispiel oder präziser die Masse-Äquivalenz, wenn man davon ausgeht, dass die Chronolithen nicht aus herkömmlicher Materie bestehen. Wisst ihr, dass es bis jetzt noch keinen Chronolithen mit einer Masse-Äquivalenz von mehr als zweihundert metrischen Tonnen gibt. Und das bestimmt nicht, weil es Kuin am nötigen Ehrgeiz fehlt. Er würde sie bis an den Mond bauen, wenn er könnte. Aber noch mal: Ab einem bestimmten Punkt schießt der Energiebedarf exponentiell in die Höhe. Auch die Stabilität leidet. Nebenwirkungen kumulieren. Weißt du, was aus einem Chronolithen wird, Scotty, der nur eine Winzigkeit über dem theoretischen Massenlimit liegt?«
    Ich verneinte.
    »Er würde instabil werden und sich selbst zerstören. Womöglich auf spektakuläre Weise. Seine Calabi-Yau-Geometrie würde sich entfalten. Man stelle sich das mal vor – praktisch eine Katastrophe.«
    Aber eine solche Dummheit hätte Kuin nicht begangen. Kuin, sagte ich mir, war die ganze Zeit über ziemlich clever gewesen. Und das versprach nichts Gutes für unsere kleine spinnerte Expedition in diesen von der Sonne heimgesuchten Westen.
    »Ich brauche ’ne Cola«, sagte Sue unvermittelt. »Ich bin staubtrocken. Könntest du mir eine besorgen, ich meine, falls es so was hier zu kaufen gibt.«
    Ich nickte, kletterte aus dem Van auf den gekiesten Straßenrand hinunter und marschierte an den wartenden Lkws vorbei. Das Sunshine-Depot war ein einsamer Außenposten, eine alte Halbkuppel, die einen Laden und eine Reihe stark verrosteter Benzintanks beschattete. Die Teerdecke wurde von feinen Staubverwehungen gesäumt. In der Tür stand ein alter Mann, beschattete die Augen mit der Hand und blickte an der Fahrzeugschlange entlang. Das war vermutlich mehr Kundschaft, als er in den letzten zwei Wochen gesehen hatte. Aber besonders glücklich schien ihn das nicht zu machen.
    Vollautomatische Service-Module orientierten sich unter dem Chassis des Leitfahrzeugs, tankten es auf und reinigten die Unterseite. Auf einer hoch angebrachten großen Tafel wurden Menge und Preis angezeigt, Sonne und Sand hatten das Acrylglas getrübt.
    »Heh«,

Weitere Kostenlose Bücher