Die Clans des Alpha-Mondes: Roman
Schizo«, sagte der Mann amüsiert, »der sich in seinen Visionen verloren hat.«
»Der ewige Krieg ist wieder ausgebrochen«, sagte Omar. »Die Mächte des Lebens sind im Abnehmen begriffen. Ist denn kein Mensch in der Lage, die fatale Entscheidung zu treffen, sein Leben in einem Opferakt aufzugeben, um sie wiederherzustellen?«
Der Mann zwinkerte seiner Frau zu und sagte: »Du weißt ja, manchmal kann man diesen Typen eine Frage stellen und kriegt eine interessante Antwort. Na los, frag ihn was – etwas Großes und Bedeutendes, so wie: ›Was ist der Sinn des Lebens?‹ Frag ihn bloß nicht so was Simples wie: ›Wo ist die Schere, die ich gestern verlegt habe?‹« Er drängte sich nach vorn.
Vorsichtig sprach die Frau Omar an. »Entschuldigen Sie, aber ich habe mich immer gefragt, ob es ein Leben nach dem Tode gibt.«
»Es gibt keinen Tod«, sagte Omar. Die Frage erstaunte ihn; sie basierte auf großem Unwissen. »Das, was Sie sehen und ›Tod‹ nennen, ist nur das Keimstadium, in dem die neue Lebensform schlummernd auf den Ruf wartet, die nächste Inkarnation anzunehmen.« Er hob die Arme und deutete hinaus. »Verstehen Sie? Der Drache des Lebens kann nicht erschlagen werden. Selbst wenn sein Blut rot über die Wiese rinnt – neue Versionen seines Ichs entstehen auf allen Seiten. Die in die Erde eingegrabene Saat erhebt sich erneut.« Dann ging er weiter und ließ den Mann und die Frau hinter sich.
Ich muß in das sechsstöckige Steingebäude gehen, sagte Omar sich. Dort wartet der Rat. Howard Straw, der Barbar. Miss Hibbler, die Griesgrämige, von Zahlen besessen. Annette Golding, die Verkörperung des Lebens an sich, die sich in alles hineinstürzt, das sie werden läßt. Gabriel Baines, der Mann, der unter dem Zwang leidet, sich Verteidigungsstrategien gegen etwas ausdenken zu müssen, das niemanden angreift. Der Einfältige mit dem Schrubber, der Gott näher ist als jeder von uns. Und der Traurige, der nie aufschaut, der Mann ohne Namen. Wie soll ich ihn nennen? Vielleicht Otto. Nein, ich glaube, ich nenne ihn Dino. Dino Watters. Er wartet auf den Tod, ohne zu wissen, daß er in Erwartung eines nichtexistenten Phantoms lebt. Nicht einmal der Tod kann ihn vor seinem eigenen Ich beschützen.
Als er am Fuß des großen, sechsstöckigen Gebäudes stand – dem größten in der Para-Siedlung Adolfville –, levitierte er. Er bumste gegen das richtige Fenster und kratzte mit den Fingernägeln an der Scheibe, bis endlich jemand kam, um ihn hereinzulassen.
»Kommt Mr. Manfreti nicht?« fragte Annette.
»Er ist in diesem Jahr nicht erreichbar«, erklärte Omar. »Er ist in einen anderen Bereich übergewechselt und sitzt nur da; man muß ihn durch die Nase zwangsernähren.«
»Würg«, sagte Annette und schüttelte sich. »Katatonie.«
»Legt ihn um«, sagte Straw rauh, »dann habt ihr ihn vom Hals. Diese falschen Fuffziger sind mehr als nutzlos; sie lassen euch nur ausbluten. Kein Wunder, daß eure Siedlung so arm ist.«
»Materiell arm«, stimmte Omar ihm zu, »aber reich an ewigen Werten.«
Er hielt sich weit von Straw entfernt. Der Mann war ihm völlig gleichgültig. Straw war trotz seines Namens ein Knochenbrecher. Er hatte Spaß am Zerschmettern und Zermahlen. Er war grausam, weil er gern so war, nicht weil die Umstände es erforderten. Straw war freiwillig böse.
Aber da war auch noch Gabe Baines. Auch Baines konnte – wie jeder Para – grausam sein. Er war so darauf versessen, sich vor Schäden zu bewahren, daß er bedenkenlos Gemeinhei ten beging. Man konnte ihn, ebensowenig wie Straw, deswegen tadeln.
Als Omar seinen Platz einnahm, sagte er: »Gesegnet sei diese Versammlung. Und laßt uns Neuigkeiten von lebenspendenden Dingen hören, statt die der Aktivitäten des Drachen des Bösen.« Er wandte sich zu Straw um. »Wie sieht die Information aus, Howard?«
»Es geht um ein bewaffnetes Schiff«, sagte Straw mit einem breiten, grimmigen Lächeln. Er weidete sich in ihrer kollektiven Angst. »Es ist kein Händler von Alpha II, sondern stammt aus einem völlig anderen System. Wir haben einen Telepathen eingesetzt, um ihre Gedanken zu lesen. Sie sind nicht in einer Handelsmission unterwegs, sondern kommen, um…« Er brach ganz bewußt ab, ohne den Satz zu beenden. Er wollte sehen, wie sie sich krümmten.
»Wir müssen uns verteidigen«, sagte Baines. Miss Hibbler nickte, und Annette – nach kurzem Zögern – ebenso. Sogar der Heb hatte sein Gekicher eingestellt und zeigte nun eine
Weitere Kostenlose Bücher