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Die Clans des Alpha-Mondes: Roman

Die Clans des Alpha-Mondes: Roman

Titel: Die Clans des Alpha-Mondes: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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hatten sie die Leuchtrakete abgeschossen. Die Finsternis war Hentman lieber als das Licht. Er war wie ein helligkeitsempfindliches Insekt, das sich hinter einem Bücherschrank verkroch.
    Mary hatte keine Ahnung, ob der Schuß Chuck getroffen hatte.
    Verdammt, dachte sie in wütender Bestürzung. Und dann verspürte sie Angst. Schließlich war sie diejenige, die sich in Gefahr befand. Chuck war zu einem Meuchler geworden, er war gekommen, um sie umzubringen, dessen war sie sich absolut, rational, ganz und gar bewußt. Seine Anwesenheit auf dem Mond bewies mit professionellem Scharfsinn das, was sie seit langem vermutet hatte. Jetzt kam es ihr beinahe so vor, als ob Chuck das Simulacrum während der Reise und der ersten Tage auf Alpha III M2 gesteuert hatte. Warum hatte er sie nicht sofort umgebracht? Warum hatte er bis jetzt gewartet? Doch jetzt konnte er das Simulacrum nicht mehr steuern; es wurde nun von Terra kontrolliert. Sie wußte aus Chucks Bemerkungen, daß der CIA in der Regel so verfuhr.
    Ich sollte verschwinden, sagte sie sich. Bevor er es tut. Wohin kann ich gehen? Die großen Kriegsschiffe können nicht runter, weil die Irren alles abgeschirmt haben: Wahrscheinlich versuchen sie immer noch, sich einen Weg freizukämpfen. Welcher Grund auch dafür verantwortlich war – sie hatte den Kontakt zum terranischen Militär verloren. Und jetzt war Mageboom auch noch gegangen. Ohne ihn konnte sie die Schiffe nicht erreichen. Am liebsten wäre ich wieder auf der Erde, dachte sie elend. Das ganze Projekt war ein einziger Reinfall. Es ist Wahnsinn, daß Chuck und ich uns gegenseitig umbringen wollen; wie konnte sich etwas so Gespenstisches und Psychopathisches nur entwickeln? Ich dachte, wir hätten es geschafft, uns zu trennen… Hat die Scheidung das nicht erledigt?
    Ich hätte nicht zulassen sollen, daß mein Anwalt Bob Alfson Zeitkamera-Aufnahmen von Chuck und dem Mädchen macht, dachte sie. Wahrscheinlich hat ihn das soweit gebracht. Jedenfalls war es jetzt zu spät. Sie hatte die Fotos nicht nur bekommen, sondern auch noch vor Gericht verwendet. Jetzt waren sie eine Sache des öffentlichen Interesses. Jeder Mensch mit ein bißchen morbider Neugier konnte ins Gerichtsarchiv gehen, die Bilder in Bewegung versetzen und sich an jenen Sequenzen aufgeilen, in denen Chuck und die kleine Trieste es miteinander trieben. In hoc signo vinces, mein Schatz…
    Chuck, dachte sie, ich würde mich so gern ergeben. Ich wäre so gern aus dieser Sache raus. Wenn schon nicht deinetwegen, dann meinetwegen. Können wir nicht… Freunde sein?
    Es war eine verschwendete Hoffnung.
    Jetzt kroch etwas Ungewöhnliches über den Horizont. Mary zuckte bei dem Anblick zusammen und wunderte sich über seine Dimensionen. Es war fraglos zu gewaltig, um eine menschliche Konstruktion zu sein. Die Atmosphäre war von etwas Echtem erfüllt. Die Sterne waren stumpf geworden, teilweise erloschen in dieser Region, und das Ding, was es auch war, nahm nun eine beinahe leuchtende Gestalt an.
    Es hatte die Form einer Riesenechse, und Mary wurde sofort klar, was sie dort erblickte. Es war eine schizophrene Projektion, ein Stück der Urwelt, die ein fortgeschrittener Psychopath erfuhr – und offenbar eine vertraute Entität auf Alpha III M2. Die Frage war nur, wieso sah sie es auch?
    Konnte ein Schizophrener… Konnten mehrere Schizophrene mit psionischen Talenten, die sich zusammentaten, ihre psychotischen Wahrnehmungen koordinieren? Welch verrückter Gedanke, dachte sie nervös und hoffte, daß dies nicht die Erklärung war. Denn eine solche Kombination war, falls man während des letzten Vierteljahrhunderts der Freiheit hier darauf gestoßen war, tödlich.
    Ihr fiel der Hebephreniker ein, den sie in Gandhitown kennengelernt hatte… der, den die anderen – vielleicht mit Recht – einen Heiligen nannten. Ignatz Ledebur. Damals hatte sie trotz seiner Verwahrlosung etwas von dieser Art an ihm gespürt: Um den belebenden und erschreckenden Wohlgeruch übernatürlicher Fähigkeiten, die sich auf etwas richteten, das nur der Herr kannte. Jedenfalls hatte wenigstens er sie fasziniert.
    Die Echse – sie sah absolut real aus – reckte sich, wand ihren überlangen Hals und öffnete das Maul. Und dann spuckte sie eine feuerballähnliche Erscheinung aus und setzte einen Teil des Himmels in Brand. Der Feuerball trieb aufwärts, als würde er von der Atmosphäre getragen, und Mary stieß einen erleichterten Seufzer aus. Zum Glück trieb er nicht auf sie zu.

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