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Die Company

Die Company

Titel: Die Company Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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Magyáren in die Schlacht gegen die gottverdammten Mongolen geführt, ja, deshalb ist es eine verdammt gute Sache, wenn ich als Zigeunergeiger die Ungarn in die Schlacht gegen die gottverdammten Russen führe.« Er bekreuzigte sich und wiederholte für Margit auf Ungarisch, was er gesagt hatte; sie musste so heftig lachen, dass ihr die Tränen kamen.
    In der Rákóczi-Straße wurde der Wagen plötzlich von Studenten umzingelt, die mehrere Straßenbahnwagen umgekippt hatten, so dass die Autos nur im Zickzack durch die Sperre fahren konnten. Die Oberleitungen baumelten von den Masten. Die Studenten trugen Armbinden mit den ungarischen Nationalfarben und schwenkten große Marinepistolen, veraltete deutsche Gewehre aus dem Ersten Weltkrieg, und einer von ihnen trug ein Kavallerieschwert. Sie hatten Margit offenbar erkannt, denn sie winkten den Wagen durch. Eine alte Frau auf dem Bürgersteig hob salutierend ihren Gehstock. » Eljen !«, rief sie. »Ein langes Leben!« An der nächsten Ecke tauchten aus einem Warenhaus weitere Studenten auf; sie hatten die Arme voller Anzüge und häuften sie auf dem Bürgersteig auf. Eine junge Frau in der grauen Uniform eines Straßenbahnschaffners, die lederne Fahrscheintasche prall voll mit Handgranaten, rief einer Gruppe vorbeikommender Studenten zu, dass jeder, der sich ihnen anschließen würde, einen Anzug und fünf Molotow-Cocktails bekäme. Ein halbes Dutzend Studenten nahm das Angebot an.
    Sie erreichten das Corvin-Kino, ein rundes blockhausähnliches Gebäude, das in eine Festung und Kommandozentrale des hastig zusammengestellten »Corvin-Bataillons« umgewandelt worden war. Im Keller fabrizierten junge Frauen mit Benzin von einer nahe gelegenen Tankstelle Molotow-Cocktails. Der eigentliche Kinosaal war von einer Art Volksversammlung mit Beschlag belegt worden. Delegierte aus Schulen und Fabriken und der ungarischen Armee kamen und gingen, und während sie da waren, beteiligten sie sich per Handzeichen an irgendwelchen Abstimmungen. Immer wieder beteuerten Sprecher der Versammlung, dass das Ziel des Aufstands das Ende der sowjetischen Besatzung und die Befreiung des Landes vom Kommunismus sei; die Menschen, die sich im Corvin-Kino zusammenfanden, wollten sich nicht mit einer bloßen Reform der bestehenden kommunistischen Regierung abspeisen lassen.
    Studenten, die Armbinden des Roten Kreuzes trugen, brachten Elizabet auf einer Trage in die improvisierte Krankenstation im dritten Stock des Gebäudes. Ebby und sein Zigeuner bauten das Funkgerät in einem Büro im obersten Stockwerk auf. Zoltán brachte die Kurzwellenantenne auf dem Dach an einem Schornstein an und verschlüsselte dann Ebbys erste Meldung an den Lauschposten der Company in Wien. Darin berichtete er kurz von seiner Verhaftung, von dem KGB-Offizier, der ihn hatte wegbringen wollen, aber dann von den Aufständischen erschossen wurde, die das Gebäude der Geheimpolizei gestürmt hatten. Weiter meldete er, dass russische Panzer in Budapest eingerückt seien, diese aber nicht, soweit er das beurteilen konnte, von Bodentruppen begleitet wurden, was bedeutete, dass die Russen nicht in der Lage sein würden, den Aufstand ohne Hilfe der ungarischen Armee und der regulären Polizeikräfte niederzuschlagen. Zu Beginn des zweiten Tages der Volkserhebung, so berichtete er, waren die ungarische Armee und die Budapester Polizei entweder auf die Seite der, wie Ebby sie nannte, Freiheitskämpfer übergelaufen (ein Ausdruck, den die Presse aufgreifen würde) oder hatten sich für neutral erklärt.

 
    6 Wien,
Montag, 29. Oktober 1956

    S
    obald der Aufstand Ungarn erschütterte, beorderte die Company Verstärkung aus sämtlichen europäischen Company -Dienststellen nach Wien. Auch Jack McAuliffe meldete sich in dem schäbigen Hotel, das die Company am Rande des Donaukanals gemietet hatte. Jack sollte mit einer kleinen Abteilung die Flüchtlinge unter die Lupe nehmen, die zunächst noch vereinzelt von Ungarn nach Österreich kamen. Man rechnete damit, es bald mit einem richtigen Flüchtlingsstrom zu tun zu haben, und Jacks Aufgabe war es, einerseits hochrangige Kommunisten aufzuspüren und zu vernehmen und andererseits nach Flüchtlingen Ausschau zu halten, die man für die Company rekrutieren und als Agenten wieder nach Ungarn einschleusen konnte.
    Am späten Montagnachmittag kam einer der Neulinge frisch vom »S. M. Craw Management« -Lehrgang in sein Büro und teilte ihm mit, dass die Mitarbeiter in zwanzig Minuten oben im

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