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Die Company

Die Company

Titel: Die Company Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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außerhalb des Büros, die sie beide überlebt hatten. Jack lud sie zum Essen ein, und sie nahm an. Sie gingen in ein kleines Wiener Restaurant in der Nähe, bestellten Forellen und eine Flasche Burgenländer. Allmählich entspannte Jack sich. Er erzählte von seiner Kindheit in Pennsylvania, seiner Studentenzeit in Yale, die ihm rückblickend vorkam wie die beste Zeit seines Lebens.
    Als sie die zweite Flasche in Angriff nahmen, schwelgte Millie schon in Erinnerungen an ihre Jugend in Santa Fe. Sie hatte an der Uni in Colorado Jura studiert und dort ihren Mann kennen gelernt. Aufgrund seiner Erfahrungen im Fernen Osten und seiner Chinesischkenntnisse war er von der Company angeworben worden, und sie gleich mit. Die CIA beschäftigte gern auch die Ehefrauen ihrer Offiziere, weil die Geheimnisse so eher in der Familie blieben. Eines unvergesslichen Tages dann waren Allen Dulles und sein Stellvertreter Frank Wisner in ihr Büro gekommen und hatten ihr die schreckliche Nachricht beigebracht: Ihr Mann, der von Burma aus Saboteure nach China einschleusen sollte, war in einen Hinterhalt geraten und getötet worden. Wisner hatte die junge Witwe unter seine Fittiche genommen und ihr Aufstiegsmöglichkeiten eröffnet. So kam es, dass sie jetzt die Mitarbeiter über die neuesten Entwicklungen in Ungarn informierte, während sie darauf wartete, dass ihr Boss Wisner, der gerade die europäischen Dienststellen bereiste, in Wien eintrudelte.
    Es war schon nach elf, als Jack um die Rechnung bat. Während er Geldscheine aus seiner Brieftasche hinblätterte, hob er plötzlich den Blick und sah ihr direkt in die Augen. »Jetzt ist wohl der Augenblick, wo ich die Frage stellen sollte: dein Zimmer oder meins?«
    Millie stockte, trank dann den letzten Schluck Wein. »Ich hab meine Meinung über Abenteuer für eine Nacht nicht geändert.«
    »Ich aber.« Jack sah sie unverwandt an. »Ich bin nicht mehr so daran interessiert, wie ich es mal war.«
    Es war nicht zu übersehen, dass sie in Versuchung war. »Ich hab Sie doch gerade erst kennen gelernt. Sie könnten ein Serienmörder sein.« Sie lachte ein bisschen zu laut. »Sind Sie das, Jack? Ein Serienmörder?«
    »Ich habe schon getötet«, erklärte er, ohne sie aus den Augen zu lassen. »Aber nicht serienmäßig.«
    Seine Antwort ärgerte sie. »Wenn das ein Witz sein soll«, konterte sie, »kriegt der auf meiner Humorskala null Punkte.« Dann bemerkte sie den abwesenden Blick in seinen Augen, und sie begriff, dass er die Wahrheit sagte.
    »Gottverdammt!«, stöhnte sie.
    »Was ist denn?«
    »Jedes Jahr Silvester schwöre ich mir, mich niemals mit jemandem einzulassen, der für die Company arbeitet.«
    Jack griff über den Tisch und berührte ihre Hand. »Wir fassen unsere guten Vorsätze zum neuen Jahr«, sagte er ernst, »um die Befriedigung zu erleben, sie in den Wind zu schlagen.«

 
    7 Budapest,
Freitag, 2. November 1956

    E
    ine gespenstische Ruhe hatte Budapest erfasst – die Ruhe nach dem Sturm, denn in den heißen Tagen des Aufstands waren bewaffnete Studenten unablässig durch die Straßen gezogen und hatten Angehörige der verhassten Geheimpolizei aufgespürt und auf der Stelle erschossen oder am nächsten Laternenpfahl aufgehängt.
    Nun hatte sich in der Nacht eine dünne Schneedecke über die Buda-Hügel gelegt. Am Morgen begannen Glaser damit, die bei den Kämpfen zerschossenen Schaufenster zu ersetzen. Die Ungarn waren stolz darauf, dass es trotz der kaputten Scheiben fast keine Plünderungen gegeben hatte. In den Kirchen der Stadt brannten Kerzen zu Allerseelen, um der Toten zu gedenken.
    Gegen Mittag hatte die Sonne den Schnee weggeschmolzen und den nasskalten Wind gewärmt, der von der Donau herüberwehte. In geborgten Mänteln spazierten Ebby und Elizabet an der Pest-Seite am Ufer entlang. Als Elizabet die Glocken hörte, die das Ende des Allerseelengottesdienstes verkündeten, klangen sie in ihren Ohren wie die Siegesglocken der Revolution, die eine neue Epoche für Ungarn einläuteten, und das sagte sie.
    Ebby war weniger optimistisch. Es habe zu viele Tote gegeben, meinte er. Zugegeben, die beiden russischen Divisionen seien aus Budapest abgerückt, aber falls sie mit größeren Truppenverbänden zurückkämen, würden die AVH und die Kommunisten mit ihnen zurückkommen, und dann würde es eine blutige Abrechnung geben.
    Elizabet reagierte gereizt. »Die haben uns jahrelang gequält, gefangen gehalten, wie Vieh behandelt«, sagte sie mit Inbrunst, »und du

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