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Die Company

Die Company

Titel: Die Company Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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Überraschungsparty bereitet wurde. Colby, Ebby und Jack standen vor einem Meer aus Mitarbeitern, viele davon aus Leos Sowjetabteilung. Jacks Frau und Manny applaudierten etwas abseits und lächelten. Nur wenige von den Anwesenden wussten, wo Leo gewesen war, doch ein Blick auf den abgemagerten Mann, der aus dem Aufzug kam, musste wohl jedem klar machen, dass er die Hölle auf Erden hinter sich hatte. Er hatte so viel Gewicht verloren, dass ihm Hemd und Anzug lose am Körper hingen. Verdattert sah Leo sich um. Er entdeckte etliche bekannte Gesichter, doch Jim Angletons war nicht darunter. Leos Sekretärin und einige Frauen aus seiner Abteilung hatten Tränen in den Augen. Der Director trat vor und schüttelte ihm kräftig die Hand. Der Applaus verebbte. »Im Namen meiner Kollegen möchte ich Sie herzlich wieder in unserer Mitte willkommen heißen«, sagte Colby. »Mit Ihrer Pflichterfüllung, Leo Kritzky, Ihrer Loyalität gegenüber der Company, Ihrer würdevollen Haltung in der schweren Zeit haben Sie für uns alle und für zukünftige Generationen von CIA-Offizieren hohe Maßstäbe gesetzt. Es liegt in der Natur der Sache, dass nur eine Hand voll der hier Anwesenden die Einzelheiten Ihres Martyriums kennt. Aber wir alle« – der Director deutete mit einem Armschwenk auf die Menge – »sind Ihnen zu unendlichem Dank verpflichtet.«
    Erneut brandete Applaus auf. Sobald wieder Ruhe einkehrte, sprach Leo in die Stille hinein. Seine Stimme war heiser und leise, und alle mussten angestrengt lauschen, um ihn zu verstehen. »Als ich damals an Bord der Company kam – wir nannten sie noch Cockroach Alley, rund vierundzwanzig Jahre ist das jetzt her –, war ich von dem Gedanken beseelt, dem Land zu dienen, dessen Regierungsform für die Welt die beste Hoffnung zu verheißen schien. Als junger Mann hatte ich die Vorstellung, dass meine Arbeit hier so etwas wie eine Initiation sein würde oder dass ich an dramatischen Großtaten der Spionage oder Gegenspionage teilnehmen würde. Mittlerweile habe ich erkannt, dass es noch andere Arten gibt, meine Pflicht zu erfüllen, und dass sie nicht weniger wichtig sind, als in den Schützengräben des Spionagekrieges zu kämpfen. Wie schon der Dichter John Milton gesagt hat: Es dient auch der, der nur verweilt und harrt. Director, ich danke Ihnen für den herzlichen Empfang. So, jetzt möchte ich zurück an meinen Schreibtisch und mich wieder an den mühseligen Alltagskram machen, um den Kalten Krieg zu gewinnen.«
    Der Applaus setzte wieder ein. Der Director nickte. Nach und nach verließ die Belegschaft den Raum. Schließlich waren nur noch Jack und Ebby da. Ebby schüttelte bloß bewundernd den Kopf. Jack öffnete den Mund, um etwas zu sagen, überlegte es sich dann anders und hob grüßend einen Finger. Er und Ebby machten sich auf den Weg in die Abteilung des DD/O im siebten Stock.
    Leo holte tief Luft. Er war wieder zu Hause, und er war froh darüber.
     
    Angleton stand da wie ein Junge, der zum Schulleiter zitiert worden war. »Was haben Sie diesem Hersh gesagt?«, fragte er.
    Colby war um seinen gewaltigen Schreibtisch herumgekommen, und die beiden Männer blickten einander jetzt dicht an dicht in die Augen. »Ich habe ihm gesagt, HT/LINGUAL war ein Spionageabwehrprogramm, mit dem ausländische Kontaktpersonen von amerikanischen Dissidenten aufgespürt werden sollten, dass es vom Präsidenten abgesegnet worden war und dass das ganze Brieföffnungsprogramm längst beendet worden ist.«
    Angleton sagte verbittert: »Mit anderen Worten, Sie haben bestätigt, dass wir Briefe geöffnet haben.«
    »Das brauchte ich gar nicht zu bestätigen«, erwiderte Colby. »Hersh wusste es bereits.«
    »Er hat nicht gewusst, dass es sich um ein Spionageabwehrprogramm gehandelt hat«, fauchte Angleton. »Sie haben mich ans Messer geliefert.«
    »Korrigieren Sie mich, wenn ich falsch liege, Jim, aber HT/LINGUAL ist auf Ihrem Mist gewachsen. Ihre Leute haben die Briefe geöffnet. Ihre Leute haben eine Kartei mit den Namen von 300000 Amerikanern angelegt, die über einen Zeitraum von zwanzig Jahren Briefe in die Sowjetunion geschickt oder aus der Sowjetunion erhalten haben.«
    »Wir hatten Grund zu der Annahme, dass der KGB mit seinen Agenten in Amerika auf dem gewöhnlichen Postweg kommuniziert hat. Wir wären doch blöd gewesen, wenn wir sie wegen ein paar alberner Gesetze ungehindert hätten schalten und walten lassen –«
    Colby wandte sich ab. »Diese albernen Gesetze, wie Sie sie nennen, sind

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