Die Company
Friedensrichter die Heiratsurkunde mit Stempel und Unterschrift versah. »So, damit wäre alles erledigt«, verkündete er. »Sie sind Mann und Frau. Möchten Sie vielleicht einen Lederrahmen für die Urkunde? Kostet zehn Dollar extra.«
»Gern«, sagte Manny.
Nellie drehte sich strahlend zu ihrer Mutter und Ebby um, die hinter ihnen standen. Jack, Millie und ihr Sohn Anthony traten vor, um den Frischvermählten zu gratulieren. Ein halbes Dutzend Freunde von Manny aus der Sowjetabteilung, in Begleitung ihrer Frauen oder Freundinnen, gesellte sich dazu. Leo, der einen Tag die Klinik verlassen durfte, gab der Braut einen Kuss und schüttelte Manny die Hand. »Ich wünsche euch beiden ein langes und glückliches gemeinsames Leben«, sagte er leise.
Elizabet rief: »Alle sind bei uns auf ein Glas Champagner und Kaviar eingeladen.«
»Ich werd mir mit Champagner einen antrinken«, verkündete Anthony.
»Kommt nicht in Frage, junger Mann«, sagte Jack.
Anthony, der vor seinem Patenonkel angeben wollte, entgegnete: »Du warst doch bestimmt auch mal betrunken, als du in meinem Alter warst.«
»Was ich mit vierzehn gemacht habe und was du mit vierzehn machst, sind zwei verschiedene Paar Schuhe«, klärte Jack seinen Sohn auf.
Elizabet verteilte Säckchen mit Vogelfutter (auf Anweisung von Nellie, die gehört hatte, dass Reiskörner in Vogelmägen aufquollen und die Tiere daran sterben konnten), und die Frischvermählten wurden damit beworfen, als sie nach draußen kamen.
Die Hochzeitsgäste folgten in ihren Wagen hupend Mannys Pontiac, an dessen hinterer Stoßstange leere Blechdosen schepperten, zu Ebby und Elizabets Haus. Anthony, der im letzten Wagen neben Leo saß, beäugte das weiße Haar seines Patenonkels, das gerade anfing, wieder nachzuwachsen. »Dad hat gesagt, man hätte dich durch die Mangel gedreht, Leo«, sagte der Junge. »Wie viel kannst du mir erzählen?«
Leo, den Blick konzentriert auf die Straße gerichtet, sagte: »Da hat Jack dir schon mehr erzählt, als ich dir erzählt hätte.«
»Ich brauche es nicht zu wissen, stimmt’s?«
»Du machst Fortschritte, Anthony.«
»Na ja, schließlich will ich später auch mal zur Company, da kann ich mit dem Lernen nicht früh genug anfangen.« Er sah Leo eine Weile beim Fahren zu und sagte dann: »Die Eltern von ein paar aus meiner Klasse arbeiten in Langley. Manchmal treffen wir uns nach der Schule und tauschen Informationen aus. Natürlich passen wir auf, dass niemand was aufschnappen kann.«
Mit todernster Miene fragte Leo: »Sucht ihr auch das Zimmer nach Wanzen ab?«
Anthony war verblüfft. »Meinst du, das wäre notwendig?«
»Ich würde es dem KGB zutrauen, dass er die Sprösslinge abhört, um herauszufinden, was die Eltern im Schilde führen.«
»Macht ihr das denn auch in Moskau mit den Kindern von KGB-Leuten?« Anthony winkte ab. »Oh, tut mir Leid. Das brauche ich ja nicht zu wissen. Ich zieh die Frage zurück.«
»Und was für Informationen tauscht ihr so aus?«
»In der Zeitung stand, dass Manny gegen einen kleinen russischen Spion ausgetauscht wurde. Einer von uns hat aber mitbekommen, wie seine Eltern darüber gesprochen haben; sein Vater hat gesagt, der russische Spion wäre viel wichtiger, als die CIA behauptet.«
»Und worüber habt ihr sonst noch geredet?«
»Ein Mädchen in unserer Gruppe hat erzählt, ihr Vater ist Lügendetektorspezialist, und jemand mit dem Decknamen Mother hat ihn beauftragt, einen Lügendetektortest mit einem hochrangigen CIA-Offizier zu machen, den sie festgenommen haben und der in einer geheimen –«
Plötzlich wurde Anthonys Gesicht rot vor Verlegenheit.
»In einer geheimen was?«
Anthony fuhr mit gedämpfter Stimme fort: »In einer geheimen Zelle in Washington festgehalten wurde.«
»Und?«
»Und der Offizier hat weiße Haare bekommen, die ihm büschelweise ausgefallen sind –«
Eine Ampel vor ihnen sprang auf Rot, und Leo hielt an. Er blickte seinen Patensohn an. »Willkommen an der Grenze zwischen Kindheit und Erwachsensein. Wenn du später wirklich zur CIA willst, ist jetzt der Augenblick für dich gekommen, diese Grenze zu überschreiten. Geheimnisse zu bewahren ist nicht einfach, das ist das Problem. Manche geben Geheimnisse preis, um bei anderen Eindruck zu schinden. Wenn du lernst, Geheimnisse zu bewahren, hast du eine gute Chance, dass die CIA dich nimmt. Wir spielen in Langley keine Spielchen. Was du eben herausgefunden hast – braucht niemand zu erfahren.«
Anthony nickte ernst.
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