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Die Company

Die Company

Titel: Die Company Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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begannen zu flattern. »Ich habe herausgefunden, dass der Patriarch von Venedig, Kardinal Albino Luciani, Berichte untersucht, denen zufolge Gelder auf die Vatikanbank eingezahlt und dann weiter auf verschiedene Auslandskonten transferiert werden. Die Geldwaschoperation trägt den russischen Decknamen CHOLSTOMER.«
    Als würde er aus einem Trancezustand erwachen, öffnete Angleton die Augen und sprach schneller weiter. »Diese Informationen wurden mir allerdings nicht auf einem Silbertablett gereicht. Weit gefehlt. Ich verdanke sie der Tatsache, dass ich meine Aufmerksamkeit über Jahre auf Details gerichtet habe, denen sonst niemand Beachtung schenkt. Denn dafür bedarf es einer unendlichen Geduld …«
    Der Director erhob sich und sagte betont ruhig: »Danke, Jim.« Besorgt aussehend, drehte Colby sich um und verließ den Raum. Einer nach dem anderen folgte ihm, bis nur noch Leo und Angleton übrig waren.
    »Ich weiß, dass Sie es sind«, murmelte Angleton. Kummerfalten durchfurchten seine Stirn. »Ich sehe jetzt alles ganz klar – Sie sind wirklich SASHA. Starik hat Kukuschkin geschickt, damit er mir Informationen zuspielt, mit denen ich Sie enttarnen kann, weil er wusste, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis ich Ihnen auf die Schliche gekommen wäre. Dann hat Starik Kukuschkin in einem Scheinprozess zum Tode verurteilen und seine Exekution vortäuschen lassen, weil er ebenfalls wusste, dass wir der Sache nachgehen würden; wir sollten herausfinden, dass Kukuschkin noch am Leben war, womit Sie freikommen würden und meine Glaubwürdigkeit zerstört war. Der Plan war, mich zu ruinieren, bevor ich SASHA identifizieren konnte … bevor ich CHOLSTOMER aufdecken konnte.«
    Leo schob seinen Stuhl zurück, stand auf und sagte: »Ich trage Ihnen nichts nach, Jim. Alles Gute.«
     
    Im roten Licht der Dunkelkammer wirkte Stariks Haut fluoreszierend – einen Augenblick lang hatte er das unheimliche Gefühl, dass seine Hände aussahen wie die des einbalsamierten Leichnams von Lenin im Mausoleum auf dem Roten Platz. Unter Stariks durchscheinenden Fingern kamen allmählich Einzelheiten auf dem Fotopapier in der Entwicklerschale zum Vorschein. Mit einer Zange nahm er den Abzug aus dem Bad und hielt ihn unter die rote Lampe. Das Foto war unterbelichtet, zu blass; die Details, die er erhofft hatte, waren kaum zu erkennen.
    Die Arbeit in der Dunkelkammer hatte Starik wieder beruhigt. Wutentbrannt war er aus dem Kreml nach Hause gekommen und hatte sogar einer der Nichten einen Klaps gegeben, weil sie sich die Lippen geschminkt hatte. Leonid Iljitsch Breschnew, Generalsekretär der KP, hatte den Mut verloren und sich durch nichts mehr umstimmen lassen. Das erste Mal hatte Starik Breschnew im Jahr zuvor über CHOLSTOMER informiert. Der Generalsekretär war von der Akribie beeindruckt gewesen, mit der das Projekt über einen Zeitraum von zwanzig Jahren geplant worden war; ebenfalls beeindruckt hatte ihn, dass ungeheure Summen in harten Devisen mit unendlicher Geduld und in relativ kleinen Beträgen gehortet worden waren, um nicht die Aufmerksamkeit der westlichen Geheimdienste zu erregen. Das Potenzial von CHOLSTOMER hatte Breschnew ins Träumen gebracht, und er hatte sich ausgemalt, wie er dastehen würde, wenn die kapitalistischen Demokratien während seiner Amtszeit untergingen und der Sowjetsozialismus auf dem ganzen Globus triumphierte. Die Geschichtsbücher würden ihn auf eine Stufe mit Marx und Lenin stellen; Breschnew würde als der russische Herrscher gelten, der die Sowjetunion im Kalten Krieg zum Sieg geführt hatte.
    Umso unverständlicher war seine jetzige Zurückhaltung. Starik hatte von seinem direkten Vorgesetzten, dem KGB-Vorsitzenden Juri Andropow, sowie vom Komitee der Drei, dem geheimen Politbüroausschuss, der Geheimdienstinitiativen politisch abklopfte, grünes Licht für das Projekt erhalten, woraufhin er sich an den Kreml gewandt hatte, um die letzte Hürde zu überwinden. Er hatte Breschnew mit kühler Leidenschaft seine Argumente vorgetragen. Die amerikanische Inflation war höher denn je, und die Verbraucher bekamen die schlechte Lage zu spüren: Zucker zum Beispiel hatte sich um das Doppelte auf zweiunddreißig Cent das Pfund verteuert. Der Dow Jones war von 1003 Punkten zwei Jahre zuvor auf 570 gesunken. Der drastische Preisanstieg beim Rohöl nach dem Krieg im Nahen Osten im Jahre 1973 (von 2,50 Dollar pro Barrel auf 11,25 Dollar) setzte der amerikanischen Wirtschaft besonders zu; ein Angriff

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