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Die Company

Die Company

Titel: Die Company Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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zu einem der kleinen Fenster. Er sah vier Männer, die den in ein weißes Tuch gehüllten und auf einem Brett ausgestreckten Leichnam über die Lichtung trugen. In langer Zweierreihe folgten die Mudschaheddin, manche mit Gas- oder Taschenlampen in der Hand. Der Trauerzug verschwand über die Bergkuppe. Anthony rüttelte an der Tür, aber sie gab nicht nach. Maria flüsterte: »Was ist mit dem Maschendraht vor den Fenstern?«
    Manny zerrte daran. »Der ist einzementiert«, sagte er. »Wenn wir ein Messer oder einen Schraubenzieher hätten, könnten wir ihn vielleicht rausbrechen.«
    Anthony entdeckte eine Sprühdose Insektenschutz in einer Ecke. »Geben Sie mir Ihr Feuerzeug«, sagte er zu Maria.
    Manny begriff sofort, was Anthony vorhatte. Er nahm das Feuerzeug und hielt die Flamme dicht vor das Drahtgeflecht. Anthony hob die Dose und sprühte den Insektenschutz direkt durch die Flamme. Eine Stichflamme schoss aus dem improvisierten Flammenwerfer, die den Draht allmählich schmelzen ließ. Als drei Seiten eines Rechtecks zerschmolzen waren, bog Manny das Drahtgeflecht nach außen.
    »Du zuerst«, sagte Anthony.
    Manny wollte keine Zeit mit Debattieren verschwenden. Er hievte sich auf den Sims und schob den Oberkörper durch die kleine Öffnung. Scharfe Drahtspitzen zerrissen ihm die Kleidung und zerkratzten ihm die Haut. Anthony schob von hinten, und schließlich war Manny hindurch und fiel draußen auf die Erde. Als Nächste wollte Maria sich durch die Öffnung winden. Sie war schon halb draußen, als der Riegel vor der Tür zurückgeschoben wurde und Ibrahim im Türrahmen stand.
    Anthony schrie: »Hau ab, Manny!«
    Ibrahim schlug Alarm. Man hörte Männer über die Lichtung rennen, als die Mudschaheddin versuchten, Manny den Weg abzuschneiden. Rufe ertönten. Jeeps und Lastwagen brausten an den Rand der Lichtung und beleuchteten mit ihren Scheinwerfern die Felder, die sich bis zu einer Schlucht erstreckten. Schüsse fielen. Währenddessen ließ Maria sich wieder zurück in den Raum fallen. Ihre Schultern und Arme bluteten von zahllosen Kratzern. Ibrahim winkte ihnen mit einer Pistole, dass sie das Gebäude verlassen sollten, und trat dann hinter ihnen auf die Lichtung. Die Menschenjagd endete abrupt. Die Scheinwerfer der Jeeps und Lastwagen erloschen, und ein Mudschaheddin kam angelaufen, um Ibrahim leise etwas mitzuteilen. Dann gesellte er sich zu den anderen, die zum ersten Gebet des Tages niederknieten. Ibrahim sah Anthony an, während zwei seiner Männer den Gefangenen die Hände auf den Rücken fesselten. »Meine Kämpfer sagen mir, dass der entflohene Gefangene ganz sicher tot ist.«
    Er starrte über die betenden Mudschaheddin hinweg auf das schwache Licht, das gerade den höchsten Bergkamm aufleuchten ließ. »Das denke ich auch«, fügte er hinzu, »aber Gott mag anders denken.«

 
    2 Washington, D.C.,
Mittwoch, 19. Oktober 1983

    D
    as ist hanebüchener Unsinn, Senator«, knurrte Director Casey ins Telefon. Er tauchte zwei Finger in den Scotch mit Soda und strich sich die letzten verbliebenen weißen Haarsträhnen nach hinten. »Wenn daran auch nur ein Fünkchen Wahrheit wäre, würde ich morgen meinen Rücktritt einreichen.« Er lauschte eine Weile, verzog die Lippen und schüttelte heftig den Kopf, wie der Senator es tat, wenn er dem Sonderausschuss für Geheimdienste vorsaß. »Hören Sie«, sagte Casey schließlich, »alle Welt weiß, dass ich die Wahlkampagne des Präsidenten geleitet habe. Aber dieser Soundso von der Washington Post kann nicht ganz dicht sein, wenn er meint, ich leite die Kampagne zur Wiederwahl des Präsidenten von Langley aus.« Casey hielt den Hörer ein Stück von seinem Ohr weg und ließ den Senator weiterquasseln. Er kannte die Leier inzwischen zur Genüge: Die motivierende Kraft im Weißen Haus war die Popularität des Präsidenten; die Suche nach Popularität bestimmte die Politik; das bestgehütete Geheimnis im Kapitol war, dass Reagan und sein Führungsstab im Weißen Haus von Außenpolitik keinen Schimmer hatten; der Präsident hörte schlecht, so dass man nicht sicher sein konnte, wenn man ihn informierte, ob er auch alles mitbekam; er bezog nie richtig Stellung und sagte niemals Nein, immer nur Ja, mal sehen oder Hört sich gut an, aber, äh, wonach dann nichts mehr kam; Entscheidungen, wenn überhaupt welche getroffen wurden, durchliefen die ganze Hierarchie im Weißen Haus, und es war ungewiss, von wem sie eigentlich stammten; nach Meinung aller wäre es nicht

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