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Die Company

Die Company

Titel: Die Company Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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englischen Klassiker zitiert, und der Kandidat muss erraten, woraus das ist. In den dreiunddreißig Jahren, die es die Sendung inzwischen gibt, haben sie vierundzwanzigmal Zitate von Lewis Carroll verwendet. Die sind mir natürlich gleich aufgefallen, weil das so ziemlich die einzigen Fragen waren, die ich hätte beantworten können.«
    Vanessa sagte: »Mir ist nicht ganz klar, wie du solche Zitate decodieren willst –«
    »In der NSA-Schule hab ich sowjetische und osteuropäische Codierungssysteme studiert«, sagte Tessa. »Manche KGB-Codes sind schlichte Erkennungszeichen – besondere Sätze, die den Agenten auf etwas anderes in der Sendung aufmerksam machen, das für ihn bestimmt ist.«
    »Okay, nur mal angenommen, die vierundzwanzig Zitate aus Alice im Wunderland oder Alice hinter den Spiegeln sollten den Agenten auf etwas aufmerksam machen«, sagte Vanessa. »Dann ist doch die Frage, worauf?«
    »Direkt nach den Zitaten wird immer die Gewinnzahl der Lotterie bekannt gegeben«, sagte Tessa.
    »Wie viele Stellen?«
    »Zehn.«
    »So viele Stellen wie eine Telefonnummer mit Vorwahl.«
    Vanessa dachte kurz nach. »Aber die Gewinnzahl selbst kann wohl keine Telefonnummer sein – das wäre zu durchsichtig.«
    »In der NSA-Code-Schule«, sagte Tessa, »haben wir gelernt, dass ostdeutsche Agenten in Westdeutschland amerikanische Zehn-Dollar-Scheine bekamen – sie haben die Seriennummer auf dem Schein von der Gewinnzahl abgezogen, um eine Telefonnummer herauszubekommen.«
    Vanessa blickte verwirrt. »Du hast gesagt, es hat vierundzwanzig Zitate von Lewis Carroll gegeben – wenn du richtig liegst, heißt das, dass es über einen Zeitraum von dreiunddreißig Jahren vierundzwanzig Gewinnzahlen gegeben hat, die sich in vierundzwanzig Telefonnummern umrechnen ließen. Aber wieso sollte ein russischer Agent andauernd neue Telefonnummern bekommen?«
    Tessa sagte: »Der KGB verlangt von Kontaktpersonen, dass sie ständig in Bewegung bleiben. Und so kann der Agent sich mit einer Kontaktperson in Verbindung setzen, die immer wieder ihre Telefonnummer ändert.«
    »Hast du deinem Boss schon davon erzählt?«
    »Ja, hab ich. Er meint, das könnte auch reiner Zufall sein. Und selbst wenn nicht, hält er es jedenfalls für unmöglich, mit Hilfe einer Gewinnzahl auf eine Telefonnummer zu kommen, weil es unendlich viele Möglichkeiten für die Geheimzahl gibt.«
    Vanessa sagte: »He, Computer können mit unendlich vielen Möglichkeiten rechnen. Lass es mich mal versuchen.«
     
    Vanessa, die dabei war, einen IBM-Großrechner zu programmieren, blieb nach der Arbeit länger im Büro, um mit den fraglichen vierundzwanzig Gewinnzahlen herumzuspielen. Sie erkundigte sich bei der CIA-Bibliothekarin und erfuhr, dass die amerikanischen Vorwahlen Anfang der Fünfzigerjahre eingeführt worden waren, etwa zu der Zeit, als das Quiz erstmals gesendet wurde. Also begann sie mit der Annahme, dass die zehnstellige Gewinnzahl eine zehnstellige Telefonnummer verbarg, die eine niedrige Vorwahl hatte, wie alle Orte an der Ostküste. Sie begann mit der ersten Gewinnzahl nach einem Alice -Zitat am 5. April 1951: 2056902023. Sie ließ eine Reihe von Gleichungen durch den Computer laufen und fand heraus, dass man, wenn man eine achtstellige Geheimzahl, die mit einer Drei und einer Null begann, von der Gewinnzahl subtrahierte, mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit eine Telefonnummer mit der Vorwahl für Washington erhielt, wo, wie die beiden Schwestern vermuteten, eine Kontaktperson wohnen würde. Wenn Vanessa achtstellige Zahlen mit einer Drei und einer Null am Anfang von den anderen dreiundzwanzig Gewinnzahlen abzog, erhielt sie jedesmal Zahlen, die mit der Washingtoner Vorwahl 202 anfingen.
    Das Ergebnis war hypothetisch – aber die statistische Wahrscheinlichkeit, dass es sich um einen reinen Zufallstreffer handelte, war verschwindend gering.
    Wenn die Geheimzahl mit einer Drei und einer Null anfing, blieben jedoch noch immer sechs Stellen, die ungeklärt waren. Dieses Problem trieb Vanessa fast eine Woche lang zur Verzweiflung.
    Dann saß sie eines Abends mit ihrem Freund in einem chinesischen Restaurant zwei Querstraßen von der Wohnung entfernt, die sich die beiden Schwestern teilten. Vanessas Freund ging zur Kasse, um mit seiner Visa-Card zu zahlen, und bat sie, etwas Trinkgeld auf den Tisch zu legen. Vanessa zog zwei Ein-Dollar-Scheine aus ihrem Portemonnaie und strich sie glatt. Noch immer schwirrte ihr der Kopf von den Unmengen an Zahlen, die

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