Die Company
geräumigen Büros des stellvertretenden Director im siebten Stock, beide einen Scotch in der Hand, und unterhielten sich leise. In Jacks zusammengekniffenen Augen lag ein Hauch Verzweiflung, ebenso in seiner bleiernen Stimme. »Ich habe zufällig einen Bericht von den Israelis in die Hände bekommen, in dem es darum geht, wie die Russen mit einer Geiselsituation verfahren sind«, sagte er. »Drei sowjetische Diplomaten wurden von einem Hisbollah -Kommando in Beirut entführt. Der KGB hat nicht lange gefackelt, sondern seinerseits jemanden aus der Familie eines Hisbollah -Führers entführt und seine Leiche zurückgeschickt; dem Toten hatte man seine Hoden in den Mund gestopft und ihm einen Zettel an die Brust genagelt – stell dir vor, genagelt –, mit der Nachricht, den Hisbollah-Führern und ihren Söhnen würde das Gleiche blühen, wenn die drei Sowjets nicht freigelassen würden. Binnen Stunden wurden die drei Diplomaten nicht weit von der sowjetischen Botschaft unversehrt wieder auf freien Fuß gesetzt.« Jack beugte sich vor und senkte die Stimme. »Hör zu, Ebby, wir wissen, wer der Entführer ist – dieser Ibrahim hat doch bestimmt Brüder oder Vettern oder Onkel –«
Betretene Stille trat ein. Ebby studierte seine Schnürsenkel. »Wir sind nicht der KGB, Jack«, sagte er schließlich. »Ich bezweifle, dass unsere Wächter vom Senatsausschuss uns das durchgehen lassen, wenn wir die gleichen Taktiken anwenden.«
»Wir müssten es ja nicht selbst machen«, sagte Jack. »Wir könnten jemanden drauf ansetzen – Harvey Torriti kennt bestimmt ein paar Leute, die dafür in Frage kämen.«
Ebby sagte: »Ich weiß, dass du eine Scheißangst hast, Jack. Aber der Schuss würde nach hinten losgehen. Die CIA ist jetzt schon eine bedrohte Spezies. Ich werde so etwas auf keinen Fall absegnen.« Er blickte Jack eindringlich an. »Und ich werde auch nicht zulassen, dass mein DD/O das absegnet.« Ebby stand müde auf. »Du musst mir dein Wort geben, dass du nichts Verrücktes unternimmst, Jack.«
»Ich wollte bloß Dampf ablassen.«
»Wir kennen uns eine Ewigkeit. Gibst du mir dein Wort?«
Jack blickte auf. »Ja, ich gebe dir mein Wort, Ebby.«
Der stellvertretende Director nickte. »Dieses Gespräch hat nie stattgefunden, Jack. Bis morgen.«
Im improvisierten Fitnessstudio der Company in Langley joggte Tessa auf dem Laufband. »Ich laufe lieber hier unten«, erklärte sie ihrer Zwillingsschwester Vanessa, »auf der Straße atmet man doch bloß Autoabgase ein.«
Vanessa war IBM-Programmiererin und im Vorjahr von der Company eingestellt worden, um das Suchsystem der Computer auf den neusten Stand zu bringen. Sie lag flach auf dem Rücken und stemmte Gewichte. »Und, was gibt’s Neues in der Welt der Spionageabwehr?«, fragte sie.
Eine untersetzte Frau im Trainingsanzug mit einem Handtuch um den Hals, die erste Dienststellenleiterin in der Geschichte der CIA, schaltete das zweite Laufband ab und ging Richtung Dusche. Tessa wartete, bis sie außer Hörweite war. »Also, ich bin da auf was echt Interessantes gestoßen«, sagte sie und erzählte es ihrer Schwester in aller Ausführlichkeit.
Tessa arbeitete seit ihrem Universitätsabschluss 1975 bei der Spionageabwehr der CIA, zum einen, weil sie die Tochter von Leo Kritzky war, Jack McAuliffes derzeitigem Leiter der Abteilung für Geheimoperationen, zum anderen wegen ihres glänzenden Examens. Ihre Aufgabe war es, die Mitschriften englischsprachiger Radiosendungen aus der Sowjetunion nach möglichen Mustern oder Wiederholungen, nach zusammenhanglos klingenden Formulierungen oder Sätzen zu durchforsten. Die CIA ging nämlich davon aus, dass der KGB über diese Sendungen regelmäßig mit seinen Agenten in Amerika kommunizierte. »Vor sieben Monaten«, sagte sie, »habe ich die Mitschriften einer Quizsendung bekommen, die Radio Moskau über Kurzwelle ausstrahlt. Die erste Sendung war im Sommer 1950.«
Vanessa setzte sich auf. »Jetzt erzähl mir nicht, dass du tatsächlich eine codierte Botschaft entdeckt hast«, sagte sie.
»Ich hab was entdeckt«, sagte Tessa. Sie blickte auf den Schrittzähler, und als sie sah, dass sie fünf Meilen gelaufen war, schaltete sie das Laufband ab und setzte sich neben ihre Schwester. »Du weißt doch noch, wie toll ich als Kind Alice im Wunderland und Alice hinter den Spiegeln gefunden habe. Ich hab die Bücher so oft gelesen, dass ich sie fast auswendig konnte. Also, am Ende jeder Quizsendung wird eine Zeile aus einem
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