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Die Company

Die Company

Titel: Die Company Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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genannte Strategic Defense Initiative des amerikanischen Präsidenten nach – von der Presse Star Wars getauft. Ich habe nie geglaubt, dass Reagan ernsthaft meint, er könnte Satelliten im Weltraum stationieren, die sämtliche feindliche Raketen mit Laserstrahlen abschießen. Und das brachte mich zu dem Schluss, dass er eins von zwei Motiven hat. Entweder er meint, eine Eskalation des Wettrüstens würde uns zwingen, gewaltige Summen aufzubringen, um mit den Amerikanern Schritt zu halten, was nicht nur unsere ohnehin schon schwierige wirtschaftliche Lage, sondern auch die Macht und das Ansehen unserer Partei weiter schwächen würde.«
    Andropow blickte sein Gegenüber starr an, und es schien, als hätte er den Faden verloren.
    »Und das zweite Motiv, Juri Wladimirowitsch?«, half Starik ihm.
    »Ja, das zweite Motiv … das ich für das wahrscheinlichere halte, ist, dass Reagans Star-Wars -Gerede vom letzten März das amerikanische Volk psychologisch auf den Nuklearkrieg vorbereiten sollte, genauer gesagt, auf einen amerikanischen nuklearen Erstschlag gegen die Sowjetunion.«
    Erschrocken blickte Starik auf und sah, dass die Augen des Generalsekretärs unverwandt auf ihn gerichtet waren. »Der Militärische Nachrichtendienst«, sprach Andropow kaum hörbar weiter, »hat ein NATO-Chiffriersystem geknackt und herausgefunden, dass vor Ende dieses Jahres unter der Bezeichnung ABLE ARCHER 83 eine geheime NATO-Übung geplant ist. Angeblich soll der Abschuss von Nuklearwaffen geübt werden. Ich denke, dass diese so genannte NATO-Übung eine Tarnung für den atomaren Erstschlag der imperialistischen Mächte sein könnte.«
    »Wenn das wahr ist –«
    »Es wäre die schlimmste aller Möglichkeiten«, sagte Andropow, »aber ich glaube, dass Reagans imperialistischer Ehrgeiz, noch verstärkt durch seine Haltung, uns als das Reich des Bösen zu sehen, um mit seinen Worten zu sprechen, diese Schlussfolgerung rechtfertigt.« Andropows rechte Hand kam unter der Decke hervor. Er beugte sich zum Nachttisch hinüber und kritzelte unbeholfen die Worte »Befürwortet und genehmigt« und seinen vollen Namen auf die Vollmacht mit der Kennzeichnung 127/S-9021, die Starik vorbereitet hatte. »Ich bin mit CHOLSTOMER einverstanden«, erklärte er in rauem Flüsterton. »Ich befehle Ihnen, vor Ende November mit der Operation zu beginnen.«
    Der Kopf des Generalsekretärs sank matt auf das Kissen. Starik sagte leise: »Das werde ich, Juri Wladimirowitsch.«

 
    3 Irgendwo in Afghanistan,
Sonntag, 23. Oktober 1983

    I
    brahims Trupp bestand aus etwa sechzig Mann. Sie zogen nachts weiter, manchmal zu Fuß, manchmal auf Eseln, gelegentlich auf Lastwagen. Wohin sie auch kamen, überall boten Bauern ihnen Unterkunft an und teilten mit ihnen die wenigen Lebensmittel, die ihnen nach dem Durchzug der Russen noch geblieben waren. Alle erkannten Ibrahim, und er schien Dutzende mit Namen zu kennen. Die Gruppe verließ den Weg, sobald die ersten silbergrauen Sonnenstrahlen die Gipfel der hohen Berge ringsherum in düstere Silhouetten verwandelten. Streng bewacht von Mudschaheddin, wurden Anthony und Maria schmale Pfade entlanggeführt, die mit weiß gebleichten Steinen markiert waren. Über unwegsames Gelände erreichten sie schließlich eines der halb verlassenen, halb zerstörten kleinen Dörfer, die an den steilen Hängen klebten. Jedes Dörfchen hatte eine Moschee, umgeben von den Steinhäusern, die die russischen Luftangriffe überstanden hatten, und von dem Schutt derjenigen, denen weniger Glück beschieden gewesen war. In den Gemeinschaftsräumen loderte in rußgeschwärzten Kaminen ein Feuer. Kalender mit Fotos von der Kaaba in Mekka oder dem Felsendom in Jerusalem hingen an den nackten, verputzten Wänden neben dem Mihrab – der Nische, die die Richtung nach Mekka anzeigte. Zur Erfrischung gab es Pistazien und nabidth, ein schwach alkoholisches Getränk aus Trauben oder Datteln mit Wasser, die man in irdenen Krügen gären ließ.
    Eines Morgens, nach einem besonders anstrengenden Nachtmarsch, stellte ein Junge eine Schüssel, deren Inhalt wie Innereien aussah, vor Maria auf den Tisch. Sie verzog das Gesicht und schob die Schüssel beiseite. Als Ibrahim sie deshalb verspottete, konterte Maria – die in Beirut bei ihrem libanesisch-amerikanischen Vater aufgewachsen war – mit einem alten arabischen Sprichwort: » Yom asal, yom basal « – »Heute Honig, morgen Zwiebeln.«
    Ibrahim, der leicht aufbrauste, wenn er meinte, der Islam würde

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