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Die Company

Die Company

Titel: Die Company Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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der Computer in den letzten zehn Tagen ausgespuckt hatte. Als sie die Geldscheine betrachtete, schienen die Seriennummern vom Papier zu schwimmen. Sie schüttelte den Kopf und sah erneut hin. Ihr fiel wieder ein, dass Tessa erzählt hatte, ostdeutsche Spione hätten die Seriennummern von amerikanischen Zehn-Dollar-Scheinen verwendet, um Telefonnummern zu ermitteln. Die erste Moskauer Gewinnzahl war am 5. April 1951 gesendet worden, also musste der sowjetische Agent einen Zehn-Dollar-Schein gehabt haben, der vor diesem Datum gedruckt worden war. Natürlich! Sie musste doch bloß herausfinden, welche Seriennummern von Ende des Krieges bis April 1951 in Umlauf waren, und sie in den Computer eingeben.
    Gleich am nächsten Morgen rief Vanessa im Finanzministerium an und ließ sich einen Termin für den Nachmittag geben. Der zuständige Beamte erklärte sich bereit, ihr gleich eine Liste der Serien zusammenstellen zu lassen, die von 1945 bis April 1951 in Umlauf waren.
    Am selben Abend schaute ihr eine aufgeregte Tessa über die Schulter, während Vanessa die Liste durchsah, bis sie auf eine Serie stieß, die mit der verräterischen Drei-Null-Kombination begann. Im Jahre 1950 waren Zehn-Dollar-Scheine im Wert von 67593240 Dollar gedruckt worden, deren Seriennummern mit einem Buchstaben begann, gefolgt von 3089, gefolgt von vier anderen Zahlen und einem weiteren Buchstaben.
    Zurück an ihrem Großrechner, begann Vanessa mit den Anfangszahlen 3089 zu arbeiten; als sie 3089 von der ersten Gewinnzahl abzog, erhielt sie eine Washingtoner Vorwahl mit dem Beginn einer Telefonnummer, die es in den frühen Fünfzigerjahren gegeben hatte: 202 601. Und das wiederum ergab lediglich 9999 Telefonnummern, die zu überprüfen waren.
    »Wir suchen jemanden«, rief Tessa ihrer Schwester in Erinnerung, »der eine Telefonnummer mit den Anfangszahlen 202 601 hatte und in der Woche nach dem 5. April 1951 aus seiner Wohnung oder seinem Haus ausgezogen ist.« Tessa tänzelte fast vor Begeisterung. »Jesus heiliger Christ«, sagte sie. »Meinst du wirklich, das funktioniert?«
     
    Die Suite im zweiten Stock des Kremls war in eine regelrechte Klinik umfunktioniert worden. Rund um die Uhr waren Ärzte und in Hämodialyse ausgebildetes Pflegepersonal im Einsatz, es gab ein in Amerika hergestelltes Blutreinigungsgerät, eine so genannte künstliche Niere, um akutes Nierenversagen zu behandeln. Juri Wladimirowitsch Andropow – der ehemalige sowjetische Botschafter in Budapest zur Zeit des Ungarnaufstands 1956, Leiter des KGB von 1967 bis 1982, seit dem Tod von Leonid Breschnew im Jahre 1982 Generalsekretär der Kommunistischen Partei und unangefochtener Kopf der Sowjetunion – war der einzige Patient in dieser Klinik. Der neunundsechzigjährige Andropow war seit zehn Monaten an der Macht und litt unter einer chronischen Nierenerkrankung. Nur eine regelmäßige Hämodialyse hielt ihn noch am Leben. Todkrank (die Ärzte gaben ihm höchstens noch sechs Monate), blass, ausgezehrt und schnell ermüdend, saß Andropow im Bett, eine Heizdecke bis zum Hals hochgezogen. »Ich bin dieses Gemecker satt«, sagte er zu Starik. »Unsere ordenbehängten Militärs erzählen mir jeden Tag, dass der Krieg zu gewinnen ist. Dass es nur darauf ankommt, trotz der Verluste weiter energisch vorzugehen. Und dann kommt der KGB und erzählt mir dasselbe wie immer: dass der Krieg in Afghanistan nicht zu gewinnen ist.« Er schüttelte enerviert den Kopf und blickte dann auf die gelbe Terminkarte. »Hier steht, Sie haben um einen Termin gebeten, um über CHOLSTOMER zu sprechen.«
    »Das Dreierkomitee des Politbüros ist unentschieden, Juri Wladimirowitsch«, erklärte Starik. »Ein Mitglied ist dafür, eines dagegen, eines unentschlossen.«
    »Und wer ist dagegen?«, erkundigte sich Andropow.
    »Genosse Gorbatschow.«
    Andropow kicherte. »Michail Sergejewitsch faselt in letzter Zeit nur noch davon, dass glasnost und perestroika notwendig sind, als ob das die Zaubermittel zur Lösung all unserer wirtschaftlichen Probleme wären.« Er signalisierte einem Krankenpfleger mit einer Handbewegung, den Raum zu verlassen. Kaum waren sie allein, sagte er zu Starik: »Helfen Sie meinem Gedächtnis bei Ihrem CHOLSTOMER-Projekt ein bisschen auf die Sprünge.«
    »Seit Mitte der Fünfzigerjahre hat der KGB aus den Gewinnen unserer staatlichen Gasgesellschaft GazPRom sowie aus Rüstungs- und Ölverkäufen Gelder abgeschöpft. Wir haben heimlich so genannte Scheinfirmen in verschiedenen

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