Die Company
ist bestimmt schon mit Straßensperren abgeriegelt. Wenn ich in meiner Limousine mit Leibwächtern zurückfahre, werde ich natürlich erkannt. Wenn ich mit Ihnen fahre, habe ich vielleicht eine Chance, durch die Kontrollen zu kommen. Es könnte gefährlich sein – sind Sie bereit, das Risiko einzugehen?«
»Ja, Boris Nikolajewitsch.«
»Sie sind eine mutige Frau, Asalia Isanowa.«
Jelzin sprang auf und schaltete ein kleines Radio ein. Es lief eine Aufnahme von Schwanensee, was ein schlechtes Zeichen war; in schwierigen Zeiten änderten sowjetische Sender stets das Programm und spielten Schwanensee. Dann unterbrach ein Sprecher die Musik und las mit vor Nervosität zitternder Stimme eine aktuelle Meldung vor: »Michail Gorbatschow hat aus gesundheitlichen Gründen seine Ämter niedergelegt. In dieser schweren und kritischen Stunde hat das Staatskomitee für den Ausnahmezustand die Regierung übernommen, um die große Gefahr abzuwenden, die unser Vaterland bedroht.« Lena und Tanja kamen hereingestürzt. Jelzin bedeutete ihnen, leise zu sein. »Die Reformpolitik, die Michail Gorbatschow auf den Weg gebracht hat, um die dynamische Entwicklung des Landes zu sichern«, fuhr die Stimme im Radio fort, »hat in eine Sackgasse geführt. Das Land versinkt im Sumpf der Gewalt und Gesetzlosigkeit. Millionen von Menschen verlangen Maßnahmen gegen die sich ausbreitende Kriminalität und himmelschreiende Unmoral.«
Jelzin schaltete das Radio aus. »Millionen von Menschen verlangen die Demokratisierung, keine neue Diktatur des Proletariats«, erklärte er. Er zog das Nachthemd über den Kopf und legte sich dann eine kugelsichere Weste an. Er streifte sich ein weißes Hemd über, befestigte die Hosenträger, schlüpfte in ein braunes Jackett und steckte eine Pistole ein. Dann lief er auf den Flur, rief seine Töchter und sagte ihnen, sie sollten ihre Mutter in der Stadtwohnung anrufen. »Das Telefon wird bestimmt abgehört«, warnte er. »Sagt nur, ich hätte alles im Radio gehört und würde mit dem Auto nach Swerdlowsk fahren. Sonst nichts.«
Draußen zog eine auffällig große Sternschnuppe eine feurige Bahn durch den Großen Bären. »Wünscht euch was«, forderte Jelzin seine Töchter auf. Er selbst war zwar kein religiöser Mensch, doch er glaubte an das Schicksal; seines würde sich jetzt erfüllen. Er blickte hinauf in den wolkenlosen Augusthimmel und wünschte sich etwas, ging dann zu Asas Lada und setzte sich auf den Beifahrersitz.
»Papa, du musst die Ruhe bewahren«, sagte Lena, bevor sie die Tür schloss. »Vergiss nicht, jetzt hängt alles von dir ab.«
Das Klingeln riss Jack McAuliffe aus dem Tiefschlaf. Benommen tastete er nach dem Telefon auf dem Nachttisch. Millie war schneller.
»Ja?«
»Wer ist am Apparat?«
Aus langer Gewohnheit murmelte sie: »Ich seh mal nach, ob er da ist.«
Sie drückte die Sprechmuschel ins Kissen und flüsterte: »Es ist der Dienst habende Offizier von Langley, Jack. Bist du da?«
Jack brummte: »Wo soll ich mitten in der Nacht sonst sein außer im Bett neben meiner Frau.« Er nahm den Hörer entgegen und knurrte: »McAuliffe am Apparat.«
Schlagartig wach, setzte Jack sich auf und wechselte den Hörer ans andere Ohr. »Ach du lieber Himmel, wann ist die Meldung gekommen? … Okay, schicken Sie eine Sofortmeldung an die Moskauer Dienststelle mit der Anweisung, dass alle Mitarbeiter sich von den Straßen fern halten sollen, bis die Lage sich stabilisiert. Nicht, dass von unseren Leuten jemand getötet wird, falls es zu Schießereien kommt. Zweitens, spüren Sie Director Ebbitt auf – er ist auf einem Segeltörn irgendwo vor Nantucket. Wenn Sie ihn nicht über Funk erreichen, schalten Sie die Küstenwache ein. Verständigen Sie auch den DD/O Manny Ebbitt. Er soll umgehend in den Lagebesprechungsraum kommen. Ich bin in einer Dreiviertelstunde da.«
Jack tastete im Dunkeln nach dem Lichtschalter. Die plötzliche Helligkeit blendete ihn, und er bedeckte sich die Augen mit dem Unterarm, während er den Hörer auflegte. »In Russland ist die Hölle los«, sagte er zu Millie. »Leo hat sich geirrt. Die verdammten Verschwörer haben ihren Putsch zwölf Tage früher gestartet. Die russische Armee ist in Moskau einmarschiert. Gorbatschow ist entweder tot, oder er steht auf der Krim unter Arrest.«
»Vielleicht komm ich besser mit, Jack, und kümmere mich um die Pressemitteilungen – die Washington Post rennt uns in ein paar Stunden die Tür ein, weil sie wissen will, warum wir
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