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Die Company

Die Company

Titel: Die Company Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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den Präsidenten nicht frühzeitig vor einem Putsch gewarnt haben.«
    »Wie üblich können wir denen nicht sagen, dass wir das getan haben.« Er blickte Millie an – sie sah noch genauso verführerisch aus wie an dem Tag, als er sie im Cloud Club zum ersten Mal gesehen hatte. »Hat dir schon mal jemand gesagt, wie schön du bist?«, fragte er.
    »Ja, du. « Sie streckte die Hand aus und strich ihm den zerzausten Schnurrbart mit den Fingerspitzen glatt. »Sag es mir noch einmal, vielleicht glaub ich es dann ja allmählich.«
    »Glaub es«, sagte er. »Es ist die reine Wahrheit.« Mit besorgtem Gesicht schob er sich aus dem Bett. »Verdammte Russen«, stöhnte er. »Wenn dieser Putsch gelingt, befördert er sie schnurstracks zurück in die bolschewistische Eiszeit.«
     
    Auf der Couch im Wohnzimmer schlief Tessa so fest, dass sie weder von Leos Wecker noch von der Toilettenspülung wach wurde. Erst als ihr der Duft von frisch aufgebrühtem Kaffee in die Nase drang, öffnete sie ein Auge.
    »Aufstehen«, rief Leo aus der Küche, »wir müssen früh los, wenn wir nach Sagorsk wollen.«
    Leo und Tessa hatten Moskau bereits gründlich abgegrast; sie hatten den Kreml besichtigt, die St.-Basil-Kathedrale auf dem Roten Platz, das Kaufhaus GUM, das Kloster Nowodjewitschi samt Friedhof (wo Manny Ebbitt auf den Monat genau siebzehn Jahre zuvor geschnappt worden war), das Puschkin-Museum. Leos Energie schien trotz seiner vierundsechzig Jahre schier unerschöpflich, während Tessa, siebenunddreißig, am Abend todmüde ins Bett fiel.
    »Noch drei Tage«, sagte Leo jetzt, während er ein aufgebackenes Brötchen mit Butter bestrich und es seiner Tochter reichte.
    »Ich komme wieder, Daddy.«
    »Ehrlich?«
    »Das weißt du doch. Vielleicht kann ich beim nächsten Mal ja auch Vanessa überreden …« Sie sprach den Satz nicht zu Ende.
    »Das wäre schön«, sagte Leo leise. »Das wäre sehr schön.«
    Das Telefon im Wohnzimmer klingelte, und Leo stand auf, um an den Apparat zu gehen. Tessa hörte ihn mit aufgeregter Stimme sprechen, als von der Straße ein tiefes Grollen heraufdrang. Sie ging zum offenen Fenster, und als sie die Gardine beiseite schob und hinausblickte, verschlug es ihr den Atem: Eine lange Kolonne monströser Panzer rumpelte das Frunsenskaja-Ufer hinab.
    Hinter ihr schrie Leo jetzt in den Hörer. »Und wieso zwölf Tage früher, verdammt? Damit sind Torritis Pläne womöglich zum Scheitern verurteilt.«
    Unten auf der Straße teilten sich die Panzer in kleinere Formationen auf und rollten in verschiedene Richtungen. Zwei blieben zurück auf einer Kreuzung, die Geschützrohre drehten sich, als suchten sie ein Ziel.
    Leo sagte im Hintergrund: »Woher wollen die wissen, dass Jelzin nach Swerdlowsk geflohen ist?« Dann: »Ohne Jelzin haben die demokratischen Kräfte keine Führung.« Gleich darauf kam er in die Küche und trat zu Tessa ans Fenster.
    »Was ist denn los, Daddy?«, fragte sie ängstlich.
    Leo schüttelte angewidert den Kopf, betrachtete die Panzer auf der Straße und sagte: »Der Putsch hat begonnen.«
    Tessa holte ihre Nikon, setzte ein Teleobjektiv auf und machte Aufnahmen von den beiden Panzern auf der Straßenkreuzung. Um die Fahrzeuge herum hatte sich eine Menschentraube gebildet, und man schien heftig mit den Soldaten in den Geschütztürmen zu diskutieren. »Komm, wir gehen runter«, sagte Tessa und packte ein paar Filme und die Kamera in ihre Umhängetasche.
    »Es wäre klüger, wenn wir hier oben blieben.«
    »Daddy, ich arbeite für ein amerikanisches Nachrichtenmagazin. Ich verstecke mich doch nicht im Schrank, wenn da draußen ein richtiger Staatsstreich im Gang ist.«
    Leo blickte wieder zum Fenster hinaus; auch er war neugierig, was passierte. »Na schön, solange keine Schüsse fallen, können wir wohl einen Blick riskieren.«
    Aus allen Häusern strömten Menschen auf die Straße, als Leo und Tessa hinaus in die strahlende Augustsonne traten. An Straßenecken stand man zusammen und tauschte Informationen aus. Die Gruppe um die beiden Panzer wurde zunehmend größer. »Fahrt zurück in eure Kaserne«, rief eine Stimme.
    »Wir führen nur Befehle aus«, erwiderte ein junger Offizier, doch er wurde niedergebrüllt.
    »Wie könnt ihr bloß auf eure eigenen Leute schießen?«, fragte eine Frau mit einem kleinen Kind auf dem Arm.
    »Wir schießen ja auf niemanden«, erklärte der Offizier, sichtlich aufgewühlt.
    Tessa umkreiste die Menschenmenge und schoss ein Foto nach dem anderen. Sie legte

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