Die Company
Kommilitonen vom College, seine Nachbarn, Anwälte und Börsenmakler, denen er auf Cocktailpartys begegnete – bezogen riesige Gehälter plus Prämien am Jahresende und Aktienoptionen. Von dem, was Ramon verdiente, kamen er und seine Familie zwar gut über die Runden, aber es hätte nie und nimmer gereicht, um die drei Kinder, die er bereits hatte, und das vierte, das unterwegs war, später studieren zu lassen, geschweige denn, ein einigermaßen sorgloses Leben zu führen, wenn er pensioniert wurde. Es sei denn, er ließ sich etwas einfallen, wie er sein Einkommen aufbessern konnte. Und so kam er auf die Idee, den Hauptgegner des Staates, Russland, mit Geheimnissen zu beliefern. Er studierte gründlich die Akten von früheren Maulwürfen, um ja nicht in die gleichen Fallen zu tappen, die letztlich zu ihrem Sturz geführt hatten. Er achtete darauf, seinen Lebensstil nicht zu verändern, um die Sicherheitsexperten nicht misstrauisch zu machen. Er fuhr sein Auto, solange es hielt, wohnte weiter in demselben kleinen Haus in Virginia und machte immer so günstig Urlaub wie möglich. Seltsamerweise merkte er nach den ersten Lieferungen an die Russen, dass Geld nicht die einzige Befriedigung war. Es verschaffte ihm einen ungeheuren Kitzel, das System zu schlagen; sein Adrenalinspiegel stieg gewaltig, wenn er die Gegenspionageabteilung austrickste, die ja ins Leben gerufen worden war, um Leuten wie ihm das Handwerk zu legen. Sein eintöniger Bürojob, der hauptsächlich aus monotoner Routine, langweiligem Papierkram und einer rigiden Hackordnung bestand, erschien ihm plötzlich wesentlich faszinierender.
Ramon spürte das Blut in den Schläfen pulsieren, als er aus dem Wagen stieg. Auf leisen Gummisohlen näherte er sich der Brücke, ging dann in die Hocke und zog die Papiertüte aus dem Spalt. Er konnte die Bündel Geldscheine, gebrauchte Zwanziger und Fünfziger, die mit einem Gummiband zusammengehalten wurden, durch das Papier fühlen; es mussten insgesamt fünfzigtausend Dollar sein, die Bezahlung für die Lieferung des letzten Monats, die auch die Identität von zwei russischen Diplomaten, die in Washington stationiert waren und für die CIA spionierten, enthalten hatte. Sobald er wieder in seinem Wagen war, stopfte er die Papiertüte unter das Armaturenbrett hinter das Radio und ließ den Motor an. Während er durch die leeren Straßen nach Hause fuhr, spürte er, wie das Pochen im Kopf nachließ, und einer befreienden Gelassenheit wich.
Er konnte sich nichts vormachen, er war ein Adrenalin-Junkie geworden; das doppelte Spiel war jetzt für ihn das einzige, das sich zu spielen lohnte.
Kurz vor fünf Uhr morgens fuhr ein Rettungswagen langsam die Rampe des Veterans Administration Hospital am San Pedro Drive in Albuquerque, New Mexico, hinunter. Hinter dem Lenkrad eines Mietwagens, der auf einem für Ärzte reservierten Parkplatz stand, saß Jack McAuliffe und beobachtete, wie sich das Tor automatisch hob. Als die Rücklichter des Rettungswagens in der Tiefgarage verschwanden, stieg er aus, sprintete die Rampe hinab und schaffte es gerade noch, unter dem sich schließenden Tor durchzukommen. Zwischen geparkten Autos hindurch ging er zu einer verschlossenen Tür, schob ein dünnes Metallplättchen in den Rahmen und zog es nach unten, bis das Schloss aufsprang. Das Schloss zu knacken, verschaffte ihm ungeheure Genugtuung; so etwas hatte er nicht mehr getan, seit er damals von S. M. Craw Management in die Freuden des Handwerks eingeführt worden war. Zwei Stufen auf einmal nehmend, stieg er hinauf in den dritten Stock. Außer Atem stützte er sich auf das Geländer, um zu verschnaufen; der Körper war stärker gealtert, als der Verstand zugeben wollte. Er vergewisserte sich, dass die Luft rein war, und eilte dann den Korridor hinunter zum Personalumkleideraum, der sich genau dort befand, wo die Krankenschwester gesagt hatte. Er nahm sich eine weiße Hose und einen Kittel aus dem Wäschekorb und zog die Sachen über. Zusätzlich ließ er noch ein Stethoskop von einem Haken an der Wand mitgehen und hängte es sich um den Hals. Gleich darauf ging er hinunter in den zweiten Stock und trat durch die Tür des Saals, den die Company für ehemalige Offiziere und Agenten hier unterhielt. Auf einem Schild an der Tür stand in roten Lettern: »Kein Zutritt für Besucher«.
Aus den Augenwinkeln sah Jack, dass eine Krankenschwester am anderen Ende des Saals in seine Richtung blickte, als er sich dem dritten Bett in dem durch
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