Die Corleones
hintere Zimmer, ja? Das Bett ist gemacht.«
»Danke, Schwesterchen. Mir geht’s gut.« Cork rückte seinen Hut gerade, der ihm in den Nacken gerutscht war, als er das Gleichgewicht verloren hatte.
»Gut«, sagte Eileen. »Schlaf dich erst mal aus, Bobby. Dann kannst du in Ruhe mit uns frühstücken.«
»In Ordnung«, sagte Cork. »Nacht, Eileen.« Zu Sonny: »Ich komm schon klar. Hau ruhig ab. Wir quatschen morgen weiter.« Vorsichtig machte er einen Schritt auf Eileen zu, küsste sie auf die Wange – was sie regungslos hinnahm –, ging ins Hinterzimmer und schloss die Tür.
Sonny wartete, bis er hörte, wie Cork sich aufs Bett fallen ließ, dann trat er zu Eileen an die Spüle und legte die Arme um sie.
Hastig schob sie ihn von sich fort. »Bist du verrückt?«, flüsterte sie. »Mit meinem Bruder in einem Zimmer und meiner Tochter im anderen? Hast du völlig den Verstand verloren, Sonny Corleone?«
»Ich bin verrückt nach dir, Puppe«, flüsterte Sonny.
»Psst«, zischte sie. Dabei sprachen sie bereits sehr leise. »Geh jetzt bitte. Geh nach Hause.« Mit diesen Worten schob sie ihn zur Tür.
»Wie immer am Mittwoch?«, fragte Sonny im Flur.
»Klar.« Eileen schaute sich rasch im Treppenhaus um und küsste Sonny dann flüchtig auf den Mund. »Jetzt hau schon ab. Und fahr vorsichtig.«
»Mittwoch«, flüsterte Sonny.
Eileen sah ihm nach, wie er die Treppe hinunterstieg. Er hielt den Hut in der Hand und nahm zwei Stufen auf einmal. Er war groß und breitschultrig, mit hinreißenden schwarzen Locken. Auf dem unteren Treppenabsatz blieb er stehen und setzte den Hut auf, der im Schein der Straßenlaterne, der durch die Scheibe in der Haustür fiel, bläulich schimmerte. In dem Moment sah Sonny aus wie ein Filmstar: attraktiv und geheimnisvoll. Ganz eindeutig nicht wie ein siebzehnjähriger Junge, ein Freund ihres kleinen Bruders, den sie kannte, seit die beiden in kurzen Hosen herumgerannt waren. »O Gott«, flüsterte sie bei sich, während Sonny auf die Straße verschwand. Sie wiederholte es, draußen im Treppenhaus, und fügte dann hinzu: »Steh mir bei«, bevor sie die Wohnungstür schloss und verriegelte.
5.
Kelly klopfte mit einem Kugelhammer gegen die untere Leiste des Fensters, um die verklebte Farbe abzulösen. Nachdem sie sich eine Weile daran zu schaffen gemacht hatte, legte sie den Hammer auf den Boden, zwängte die Hände beiderseits der Verriegelung unter die Leiste und versuchte das Fenster nach oben zu drücken. Als es nicht nachgeben wollte, fluchte sie, ließ sich auf einen Hocker fallen und überlegte, was ihr sonst für Möglichkeiten blieben. Eine Windbö fuhr gegen das Fenster, und die Scheiben klapperten. Die Bäume draußen im Garten neigten sich tief hinab. Sie befand sich in Lucas Haus an der West Shore Road in Great Neck, direkt hinter der Stadtgrenze auf Long Island. Die Zimmer hier glichen in nichts der beengten Wohnung in Hell’s Kitchen, in der sie aufgewachsen war, das jüngste Kind und einzige Mädchen unter drei Brüdern, und trotzdem musste sie an das Leben dort zurückdenken, wie sie ihre Brüder und ihre Eltern von vorne bis hinten hatte bedienen müssen, als wäre sie eine Sklavin, nur weil sie als Mädchen auf die Welt gekommen war. Die ganze Wohnung war ein heruntergekommenes Loch, und schuld daran war ihr widerlicher Vater, der sich immer in die Hose pisste, wenn er wieder mal zu viel gesoffen hatte, und einen entsetzlichen Gestank verbreitete, und viel besser war ihre Mutter auch nicht – die beiden passten gut zusammen. Wie sollte es ein Mädchen da nur ein bisschen nett haben. Und was war der Dank dafür, dass sie allen Frühstück, Mittagessen und Abendessen machte? Ihre Mutter verpasste ihr Ohrfeigen, und die Männer beschimpften sie unflätig, mit Ausnahme von Sean, und der war ein großes Kind. Als sie mit Luca anbandelte, dachte ihre Familie, sie wären sie los – sie warfen sie hinaus wie ein rothaariges Findelkind –, dabei war es umgekehrt, sie war froh, sie alle los zu sein. Ohne diese Familie würde sie es besser haben, schließlich sah sie gut genug aus, um zum Film zu gehen. Alle sagten das. In einem solchen stinkenden Loch wollte sie nie wieder wohnen, unddank Luca würde sie das auch nicht müssen, denn mit Luca Brasi konnte es niemand aufnehmen – und jetzt würde sie sein Kind bekommen, obwohl er davon noch immer nichts wusste. Luca konnte es zu etwas bringen, nur dass es sie manchmal halb in den Wahnsinn trieb, wie wenig ehrgeizig er war.
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