Die Corleones
einem Streichholz über die Küchenwand und zündete sie sich an. »Fang nicht jetzt schon damit an. Kelly, wir sind kaum aufgestanden, und du fängst schon wieder damit an.«
»Tu ich doch gar nicht.« Als Kelly den weinerlichen Tonfall hörte, in dem sie das sagte, wurde sie wütend. »Tu ich doch gar nicht«, wiederholte sie lauter. »Die Dinge verändern sich, mehr wollte ich gar nicht sagen, Luca. Es kann nicht immer alles beim Alten bleiben.«
»Ach nein?« Luca stippte die Asche von seiner Zigarette. »Was redest du da, Puppe?«
Kelly stand auf und machte ein paar Schritte vom Tisch weg. »Luca, dir ist es egal, wie es hier aussieht, weil du praktisch bei deiner Mutter wohnst. Du schläfst öfter dort als hier. Du isst andauernd dort. Fast könnte man meinen, du wohnst noch bei ihr.«
»Was geht dich das an, Kelly?« Luca rieb sich den Nasenrücken. »Was geht es dich an, wo ich esse und schlafe?«
»So kann es jedenfalls nicht weitergehen.«
»Warum nicht? Warum kann es so nicht weitergehen?«
Kelly spürte, wie ihr die Tränen in die Augen schossen, also wandte sie Luca den Rücken zu und ging zum Fenster hinüber. Ihr Blick glitt über die Kieseinfahrt zur Straße und den Bäumen, die die Straße säumten. »Im ganzen Haus steht nur ein großes Bett«, wiederholte sie. Sie klang, als spräche sie mit sich selbst. Da hörte sie, wie hinter ihr der Stuhl über den Boden schrammte. Als sie sich umdrehte, drückte Luca gerade seine Zigarette im Aschenbecher aus. »Manchmal glaube ich, du brauchst dieses Haus nur, damit du dich irgendwo verstecken und mit deinen Huren schlafen kannst. Hab ich recht, Luca?«
»Wenn du meinst.« Er schob den Aschenbecher über den Tisch. »Ich geh wieder ins Bett. Vielleicht hast du, wenn ich aufwache, bessere Laune.«
»Ich hab keine schlechte Laune«, sagte Kelly. Sie folgte ihm ein Stück und schaute ihm nach, wie er die Treppe hinaufging. »Wie viele Huren hast du überhaupt? Ich bin nur neugierig, Luca. Ich bin nur neugierig, sonst nichts.« Als er ihr die Antwort schuldig blieb, wartete sie. Sie hörte die Matratze unter Lucas Gewicht knarren und ächzen. Im Keller erwachte der Heizofen krachend zum Leben, und kurz darauf fingen die Heizkörper an zu gurgeln. Sie stapfte zum Schlafzimmer hinauf und blieb in der Tür stehen. Luca lag auf dem Rücken, die Hände hinter dem Kopf verschränkt. Auf dem Nachttisch stand ein Glas Wasser neben einem schwarzen Telefon; der Hörer hing über der Wählscheibe am Fußteil. Luca blickte zum Fenster hinaus, wo der Wind durch die Bäume peitschte und pfeifend über die Scheibe fuhr.
»Fang jetzt nicht damit an, Kelly«, sagte er. »Bei Gott, dafür ist es noch zu früh.«
»Schon gut«, erwiderte sie und betrachtete ihn, wie er so dalag. Seine langen muskulösen Arme zeichneten sich weiß vor dem dunklen Holz des Kopfbretts ab; seine Füße unter der Decke berührten das Fußbrett am anderen Ende der Matratze. »Ich würd das nur gerne wissen, Luca, sonst nichts. Wie viele Huren nimmst du mit hier raus?«
»Kelly …« Luca schloss die Augen, als wünschte er sich, für einen Moment verschwinden zu können. Schließlich öffnete er sie wieder und sagte: »Du weißt, dass du die Einzige bist, die ich hierher mitnehme, Puppengesicht. Das weißt du.«
»Wie lieb von dir.« Kelly hielt sich mit beiden Händen den Kragen ihres Morgenmantels zu. Ihre Finger gruben sich in den Frotteestoff, als würde sie sonst das Gleichgewicht verlieren. »Wo treibst du es dann mit deinen anderen Huren? In einem der Bordelle in Manhattan?«
Luca lachte und drückte sich die Handflächen auf die Augen. »Madam Crystal’s am Riverside Drive gefällt mir. Kennst du es?«
»Woher sollte ich es kennen?«, fauchte Kelly. »Was willst du damit sagen?«
Luca klopfte neben sich auf die Matratze. »Komm her.«
»Warum?«
»Ich hab gesagt, du sollst herkommen.«
Kelly wandte sich um, blickte die Treppe hinunter und zu einem der Fenster hinaus.
»Ich will das nicht noch mal sagen müssen.«
Kelly seufzte. »Um Himmels willen, Luca.« Sie kletterte auf die Matratze und setzte sich neben ihn, wobei sie noch immer die Aufschläge ihres Morgenmantels umklammert hielt.
»Ich frage dich jetzt noch einmal, und ich will eine Antwort: Wer war das Collegejüngelchen, von dem du im Juke’s geredet hast?«
»Ach, nicht das schon wieder. Das hab ich dir doch gesagt. So ein Jüngelchen eben.«
Luca packte Kelly mit einer Hand an den Haaren, hob sie wieeine
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