Die Creeds: Wenn ein Herz nach Hause kommt (German Edition)
stand vor dem Spiegel an der Schranktür und betrachtete sich missmutig. Jetzt, da die Stunde der Wahrheit nahte, gefiel ihr das blaue Kleid gar nicht mehr so gut. Sie hielt die Luft an. „Da sind sie“, sagte sie und betrachtete sich von hinten. „Da sind die zwei Pfund, die ich
deinem
Essen zu verdanken habe.“
Ashley, die auf dem Bett saß und Katie auf dem Schoß hielt, lächelte und schüttelte den Kopf. „Ach komm schon. Du könntest auch zehn Pfund zunehmen und würdest trotzdem noch in jede deiner Jeans passen.“
„Als ob ich es so weit kommen lassen würde“, gab Melissa ein wenig pikiert zurück.
Von Ashley kam nur ein leises Lachen, während sie ihre Schwester zufrieden ansah. Früher war sie – ähnlich wie Melissa – auch viel angespannter und verkrampfter gewesen, aber seit es Jack in ihrem Leben gab und sie dann auch noch Katie bekommen hatte, war sie ein viel sanfterer Mensch geworden, was Melissa manchmal zur Weißglut trieb.
„Hast du vor, die Nacht mit ihm zu verbringen?“, wollte Ashley plötzlich wissen.
Melissa drehte sich um und legte ihre Hände auf Katies kleine Ohren. „Wie kannst du so etwas fragen, wenn ein kleines Kind dabei ist?“, fragte sie entrüstet.
„Katie ist zwei“, betonte Ashley, während sie ihre blauen Augen verdrehte. „Außerdem willst du ja nur Zeit schinden.“
Melissa nahm die Hände wieder weg. „Ich weiß es nicht“, seufzte sie.
Ashleys Augen funkelten fröhlich. Ihr war deutlich anzusehen, wie glücklich sie war. „Du weißt nicht, ob du Zeit schinden willst?“, zog sie ihre Schwester auf.
„Ich weiß nicht, ob ich …“, sie hielt inne und sah Katie an, die sich Ashleys langen goldblonden Zopf geschnappt hatte und ihn versonnen betrachtete, „… ob ich mit ihm schlafen werde“, führte sie ihren Satz im Flüsterton zu Ende.
„Was hält dich davon ab?“
„Was mich davon abhält?“, wiederholte Melissa mürrisch und stemmte die Hände in die Hüften. „Du hast leicht reden, Ashley O’Ballivan McKenzie. Dein ganzes Leben liegt schließlich vor dir ausgebreitet wie ein Weg, der zwischen zwei Rosengärten verläuft.“
„Zeitschinderin“, rief Ashley in einem Singsang, den Katie sofort kichernd aufgriff und wiederholte, ohne zu verstehen, was sie da eigentlich sagte.
„Ich … es ist nur … na ja … wir haben uns noch gar nicht lange gekannt, als wir …“
„Vielleicht geht es mehr darum, wie
gut
man sich kennt, nicht aber, wie
lange
man sich kennt.“
„Auf wessen Seite stehst du eigentlich?“, fragte Melissa argwöhnisch, während sie feststellte, dass sich die Hüften unter ihren Händen breiter als zuvor anfühlten, was vermutlich nur Einbildung war, da sie sich wegen der großen Mengen Lasagne Sorgen machte, die sie gegessen hatte.
„Es gibt eine Seite, auf die ich mich stellen kann?“, konterte Ashley mit gespieltem Erstaunen. „Wer hätte das gedacht?“
Melissa setzte sich zu ihrer Schwester aufs Bett. „Ich versuche, Vernunft walten zu lassen.“
„In der Liebe spielt Vernunft keine Rolle“, machte diese ihr klar.
„Wer hat denn ein Wort von Liebe gesagt? Hier geht es lediglich um Lust. Wenn ich in Steven Creed verliebt wäre, hätte ich das ja wohl gemerkt, oder meinst du nicht?“
„Nicht zwangsläufig. Für eine so kluge Frau, wie du es bist, stellst du dich manchmal ziemlich kurzsichtig an, was Männer betrifft.“
„Kurzsichtig? Ich?“ Sie atmete tief durch, um wieder zur Ruhe zu kommen. „Nur weil du verheiratet bist, Ashley, bist du nicht automatisch auch eine Expertin in Sachen Männer.“
„Ich bin Expertin, was einen bestimmten Mann angeht“, entgegnete Ashley etwas überheblich. „Und mehr ist dafür nicht nötig.“
Sekundenlang musterte Melissa ihre Zwillingsschwester, dann ließ sie die Schultern sinken. „Hast du eigentlich nie Angst?“, fragte sie sehr leise.
„Angst?“
„Dass du dich zu sehr sorgst, meine ich. So was ist …
gefährlich
.“
Sofort nahm Ashleys Miene einen sanften Zug an. „Oh Liebes“, sagte sie. „Geht es um die Trennung von Dan? Glaubst du deshalb, es ist gefährlich, wenn man sich zu sehr um jemanden sorgt? Ich weiß, er hat dich verletzt, aber mal ehrlich, wie stehen die Chancen, dass einem so etwas zweimal im Leben widerfährt?“
Wieder seufzte Melissa. „Hast du dir in letzter Zeit mal die Scheidungsstatistiken angesehen?“ Ihr Versuch, humorvoll zu sein, scheiterte kläglich.
„Statistiken sind Statistiken, und Menschen sind
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