Die Creeds: Wenn ein Herz nach Hause kommt (German Edition)
bereits jetzt als ein Ort, den er gern als sein Zuhause bezeichnete.
In einer Welt, die so unberechenbar war, hatte diese Erkenntnis etwas Beruhigendes.
Am Stadtrand warf Steven einen Blick auf die Tankanzeige und beschloss, den Wagen aufzutanken. Das würde ihn gut eine Viertelstunde beschäftigen, überschlug er. Er hielt am Stop & Shop an, einer Tankstelle mit angeschlossenem Supermarkt, die nur zwei Zapfsäulen besaß, von denen eine für Diesel vorbehalten war. Er stellte den Motor ab, stieg aus und ging um den Wagen herum, wobei ihm ein handgeschriebener Zettel auf dem Papiertuchspender auffiel.
Gerät defekt. Bitte drinnen bezahlen.
Auf dem Weg zur Kasse kam Steven an einem verrosteten Bonneville vorbei, dessen Heckscheibe durch ein Stück Pappe ersetzt worden war. Es war der einzige andere Wagen, der außer seinem Truck an der Tankstelle stand.
Offenbar war heute nicht allzu viel los.
Hinter dem Tresen stand eine etwas übergewichtige Frau an der Kasse, auf ihrem Namensschild war
Martine
zu lesen. Steven sah zur Seite und entdeckte den mutmaßlichen Fahrer des Bonneville, der vor dem Kühlschrank stand und Bier kaufte. Es handelte sich um einen jungen Mann, der vermutlich noch gar nicht alt genug war, um Bier kaufen zu dürfen. Steven kannte ihn nicht, aber das hatte nichts zu bedeuten, schließlich war er erst seit Kurzem in Stone Creek.
Er grüßte Martine, die seinen Gruß lächelnd erwiderte, dann zog er seine Kreditkarte durch das Lesegerät, um im Voraus die Abbuchung für die Tankfüllung zu genehmigen, von der er nicht wusste, wie viel sie ihn kosten würde.
„Willkommen in Stone Creek, Mr Creed. Es ist schön, mal jemanden zu sehen, der herzieht, anstatt Stone Creek zu verlassen. Nach der Schließung der Mühle hat hier eine richtige Massenflucht eingesetzt“, meinte Martine.
Sie hatte seinen Namen auf der Kreditkarte gelesen und wusste deshalb, wer er war. Steven störte das nicht, weil es eine höfliche Geste war.
„Danke“, entgegnete er.
„Sind Sie verheiratet, Mr Creed?“, fragte sie.
Da er nicht in Eile war, hielt er sich länger auf, als er es unter normalen Umständen getan hätte. „Nein, Ma’am“, antwortete er. „Es gibt nur mich und meinen Sohn Matt.“
Als Martine daraufhin den Kopf schräg legte und ihn mit einem schelmischen Funkeln in den Augen betrachtete, kam es Steven in den Sinn, dass sie über sein Rendezvous mit Melissa längst Bescheid wusste. Immerhin war Stone Creek eine Kleinstadt, in der Gerüchte schnell die Runde machten.
„Wir können Junggesellen immer gut gebrauchen“, erklärte sie. „Natürlich wird ein so gut aussehender Cowboy wie Sie nicht lange zu haben sein.“
Diese Bemerkung löste bei Steven eine vollkommen untypische Schüchternheit aus. „Danke“, sagte er abermals, während er spürte, wie seine Ohren zu glühen begannen. Zeit, die Flucht anzutreten.
„Ich habe eine Tochter!“, rief Martine ihm nach. „Sie heißt Jessica Lynn, und in sechs Wochen macht sie ihre Abschlussprüfung, dann ist sie Zahnarzthelferin!“
Er tat so, als hätte er sie nicht gehört, doch insgeheim musste er lachen, während er zur Zapfsäule zurückkehrte und seinen Wagen betankte. Da er so sehr damit beschäftigt war, aus Melissa O’Ballivan schlau zu werden, war ihm noch gar nicht in den Sinn gekommen, dass viele Mütter versuchen könnten, ihn mit ihren Töchtern zu verkuppeln.
Der Tank war fast leer, darum dauerte das Volltanken eine Weile. Steven nutzte die Zeit, um die Windschutzscheibe zu reinigen, den Reifendruck zu überprüfen und mit einem Insektenschwamm über den Kühlergrill zu wischen. Als die Zapfsäule sich schließlich abschaltete, ging er wieder zur Kasse, unterschrieb die Abbuchung und bekam die Quittung ausgehändigt.
Inzwischen war mehr Betrieb, und Martine konnte sich nicht länger ihm allein widmen, da die Kunden nach Zigaretten, Milch und Lotterielosen verlangten. So blieben ihm weitere Details zu Jessica Lynn erspart.
Beim Gedanken an die Tanzveranstaltung in der Grange Hall wurde ihm bewusst, dass dort vermutlich ganz Stone Creek und vielleicht sogar ein paar Leute aus Indian Rock versammelt sein würden. Unwillkürlich dachte er darüber nach, worauf er sich da bloß eingelassen hatte.
Mit einem vergnügten Lächeln auf den Lippen stellte er sich vor, dass er am Abend womöglich genügend Aufmerksamkeit auf sich lenken würde, um Melissa ein wenig eifersüchtig zu machen. Das wäre doch genau das Richtige.
Melissa
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