Die Cromwell Chroniken 02 - Grabes Hauch
die genau veranschaulichte, um wie viel Stoff es sich bei Psychologie handelte. Trotz des herrschenden Respekts – auch Angst genannt – hatte die Hälfte des Kurses gequält zu stöhnen begonnen.
Lichtenfels quittierte das mit einem kühlen Fazit: „Wie ich sehe, ist Ihnen der Ernst der Lage klar geworden. So stimmen Sie sicher mit mir überein, dass wir auch weiterhin zugunsten des Lehrstoffs auf eine Pause verzichten.“
Ich glaube, ich habe noch niemanden so elegant eine Strafe formulieren hören , dachte Flint geknickt.
Ihm war es indes gleichgültig, welche neue Ungerechtigkeit Lichtenfels ihnen aufdrückte. Er hatte andere Sorgen. Und so ließ er die zwei Doppelstunden an sich vorbeiplätschern.
Ursprünglich hatte er vorgehabt, so schnell wie möglich mit Katharina zu sprechen und das Bestmögliche aus der Situation zu machen. Doch sie war mittlerweile so abweisend zu ihm, dass er den Plan aufgab.
Ich warte lieber auf einen günstigen Moment.
Wann immer dieser auch käme …
Beim Abendessen saß der Chaoszirkel vereint am Tisch – alle bis auf Katharina. Flint hatte einen freien Moment genutzt, um den Internetraum zu besuchen. Zu seiner Bestürzung hatte er dort tatsächlich zwei Mails von ihr gefunden. Während die erste noch sehr munter geklungen hatte, war in der zweiten ihre Verwunderung über seine fehlende Antwort herauslesbar gewesen.
Jetzt sitze ich wirklich tief im Schlamassel. Was sage ich ihr am besten? Soll ich auf die Mail antworten?
Er hatte sich dagegen entschieden und hielt an dem Kurs fest, persönlich mit ihr zu sprechen.
Auch beim Abendessen verspürte er wenig Appetit und so hatte er sich nur ein paar Früchte auf das Tablett gelegt.
Zur allgemeinen Überraschung blätterte Valerian grinsend in einem Buch.
„Was liest du da eigentlich?“, wollte Flint wissen. Er war diesen Anblick nicht gewöhnt und auch die fehlenden Schmatzgeräusche waren befremdlich.
„Ich lese in der Bibel.“
Schweigen.
Alle Blicke wandten sich ihm voller Unglauben zu.
„Du liest in der Bibel?“, erklang es verwundert von Linda.
„Das finde ich super!“, meldete sich Graciano begeistert zu Wort.
Cendrick wirkte milde verstört und verzog das Gesicht.
„Du bist echt krass, Alter.“
„Hähä, diese Bibelübersetzung aber auch!“, lachte der Unsterbliche.
Graciano hob überrascht die Brauen.
„Was für eine hast du denn genommen? Luther? Elberfelder?“
„Hähä! Nee, die Volxbibel “, grinste der andere.
Graciano schien aus allen Wolken zu fallen.
„Das liest du wirklich?“
Sein Gesicht spiegelte eine Mischung von widerstreitenden Gefühlen. Offenbar wollte er sich unbedingt darüber freuen, dass Valerian endlich einmal dem Wort Gottes seine Zeit widmete, doch die Volxbibel war ihm dann wohl doch nicht geheuer.
Valerian lachte erneut.
„Was soll das sein? Volksbibel? Wie Volkswagen?“, erkundigte sich Tamara.
„Nicht Volksbibel, sondern Volxbibel … mit X“, erklärte Graciano. „Das ist eine relativ neue Bibelübersetzung. Da kann wohl jeder mitschreiben. Sie übersetzen die Bibel in das ,heutige‘ Deutsch.“
„Gibt es so etwas nicht schon längst?“, fragte Linda verwundert.
„Theoretisch ja, doch diese Übersetzung verwendet die Sprache der heutigen Jugendlichen … wenn du verstehst, was ich meine.“
Graciano hatte den Satz mit düsterer Stimme beendet.
„Eigentlich nicht“, entschuldigte sich Linda.
Flint folgte schweigend der Unterhaltung.
„Wo hast du das Buch überhaupt her? Du hast es doch nicht etwa gekauft?“, wollte Tamara wissen.
„Nee, sicher nicht! Ich muss ja erst mal wissen, ob es gut ist! Ich hab es aus der Bibliothek.“
„So ein … so etwas steht hier?“, empörte sich der Wächter des Lichts.
„Wolltest du gerade Schund sagen?“, neckte ihn der blonde Magier.
Graciano verzog das Gesicht und wandte sich seinem Essen zu.
„Ja. Ich habe mich von Gracianos Empfehlung leiten lassen und bin zum Bibliothekar, um ihn zu fragen, ob es eine Bibel gebe, die selbst ich verstehe“, verkündete Valerian und war sich nicht einmal bewusst, was für eine Aussage er da gerade über sich selbst traf.
Das erklärt bereits, auf welchem Niveau das Buch geschrieben wurde.
„Das ist so genial geschrieben!“, begeisterte sich der Unsterbliche.
Flint schüttelte den Kopf und dachte sich den Rest.
„Hört mal zu! Es geht um Abraham: ‚Im Süden von Kanaan zog er von Campingplatz zu Campingplatz …‘ “
Er lachte
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