Die Cromwell Chroniken 02 - Grabes Hauch
hat, dich wahrzunehmen, der du dich voll und ganz ihm widmest, wie will er dann diesen Voodoo-Schnösel gesehen haben?“
Nun hatte er Flints Aufmerksamkeit. Der Geisterseher witterte ehrliches Interesse und das wollte er nicht so einfach abschmettern.
Vor allem, weil es so selten ist.
„Das ist eine gute Überlegung“, gab er zu.
Valerian grinste zufrieden.
„Sie ist nur leider falsch.“
Das Grinsen verschwand.
„Dieser Mensch hat hier einen enormen Schaden angerichtet, indem er einen Leichnam in Bewegung versetzt hat.“
„Wieso?“
„Weil es wider die natürliche Ordnung ist. Eine Leiche enthält keine Essenz mehr und es ist falsch, sie damit wieder ‚anzureichern‘. Es ist unnatürlich. Es stört das Gleichgewicht dieses Ortes.“
Valerian starrte ihn ahnungslos an.
„Glaub mir einfach!“, schmunzelte Flint.
„Okay, wenn du es sagst … Und inwiefern hilft uns das?“
„Es hilft uns, weil der Geist unseren Bösewicht nicht ignorieren konnte. Er hatte keine andere Wahl, als diese Veränderung im Essenzgeflecht hier wahrzunehmen. Der Zombie war ein Störfaktor und der Beschwörer hielt die Fäden dieser willenlosen Marionette in der Hand.“
Valerian nickte, wirkte aber immer noch nicht schlauer.
„Und wieso hilft es uns, wenn er ihn wahrgenommen hat? Ich meine, okay, dann hat er ihn gesehen, aber er hatte vermutlich keinen Geisterfotoapparat bei sich, um ein Bild zu machen, oder?“
Der Unsterbliche schnitt eine dümmlich wirkende Grimasse.
„Ich habe es nicht auf sein Gesicht abgesehen, sondern auf den Gegenstand, den er an seine Brust hielt.“
„Den was ?“
„Ach so, du hast es ja nicht sehen können …“
„Ja, ich war dabei, dem Untoten den Hintern zu versohlen.“
Besser, wir diskutieren nicht über die Wirksamkeit deiner Aktion.
„Jedenfalls hatte er irgendetwas in der Hand, das hielt er an seine Brust.“
„Und was könnte das gewesen sein?“
„Ich tippe auf einen Fokus . Einen Gegenstand, der Essenz gespeichert hat. So einen, den auch Cendrick um den Hals trägt.“
„Ach, tut er das?“
„Ja, tut er.“
„Und wozu brauchen die beiden das?“
„Cendrick hat – im Vergleich zu dem Finsterling – einen verhältnismäßig geringen Essenzpool. Es ist so eine Art kosmische Sicherheitsvorkehrung. Magier erhalten durch ihre aktive Magie nahezu grenzenlose Möglichkeiten. Allerdings besitzen sie am wenigsten Essenz im Vergleich zu den anderen Magiebegabten.“
„Ehrlich?“
„Ehrlich. Wenn er eine Handvoll Wasser ist, so bist du der Ozean.“
„Banzai!“
Valerian brach in schallendes Gelächter aus. Die anderen warfen den beiden neugierige Blicke zu. Flint schmunzelte kurz. Valerian hatte in jeder Situation etwas erfrischend Normales an sich.
„Das heißt, dass unser Blondie nicht hätte zaubern können ohne dieses Fokus-Ding?“
„Doch, vermutlich schon, aber er wäre danach ziemlich ausgebrannt. Und was den Bösen betrifft: Es mag nicht den Anschein haben, aber es ist keineswegs einfach, einen Leichnam zu erwecken. Es braucht eine ungeheure Menge an Energie.“
„Ah, quasi eine Essenz-Batterie … So was wie mich!“
„So was wie dich – nur klein und unauffällig“, stimmte Flint amüsiert zu.
„Ich bin unauffällig!“, protestierte Valerian
„Ja, klar!“, lachte der andere und wandte sich wieder dem Objekt seiner Begierde zu.
„Okay, dann lass ich dich mal machen.“
„Danke. Ach ja, könntest du die anderen fragen, ob jemand ein Blatt und einen Stift hat?“
Eine halbe Stunde später saß der Chaoszirkel in einer geräumigen Limousine – ihnen gegenüber Pater Ignatius mit strengem Blick. Sie hatten sich die Moralpredigt bereits anhören müssen und jeder war bis ins Innerste beschämt. Am schlimmsten hatte es Graciano getroffen. Der Dozent hatte ihnen bereits mitgeteilt, dass sie keine Strafe im herkömmlichen Sinne erwarten würde. Er hatte anerkannt, dass sie ein gutes Werk vollbringen wollten, und er hatte darauf bestanden, dass sie ihm zur Hand gingen, als der Leichnam wieder beerdigt werden sollte. Auf die Gräber der Kinder hatte er einen Schutzsegen gesprochen. Flint hatte beobachten können, wie Katharina zu diesem Zeitpunkt merklich aufatmete. Der Geistliche hatte ihnen angekündigt, dass er für die nächsten zwei Wochen ihre Mitarbeit in den unterschiedlichen Andachten und Messen erwartete. Ihr Verhalten habe das Fehlen des nötigen Respekts vor dem Gottesacker deutlich gemacht. Dem könne er nicht tatenlos
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