Die Cromwell Chroniken: Kaltes Feuer
nicht wahr, Flint?“
„Äh …“, begann der Angesprochene, aber er wurde schnell erlöst.
„Pff! Ist ja klar, was er jetzt antworten wird. Aber wenn er die Wahl hätte, dann würde er sich lieber mit ein paar netten Geistern unterhalten! Oder, Flint?“
„Öhm …“
Auch diesmal kam der Geisterseher nicht zu Wort.
„So ein Unsinn! Flint ist gerne unter Leuten. Er traut sich nur nicht immer, sie anzusprechen.“
„Also …“, versuchte sich der Umbraticus Dicio nun freiwillig zu Wort zu melden, doch auch jetzt wurde er sofort wieder ausgebremst.
„Ja, klar, weil er nicht gerne redet. Du zwingst ihn nur immer dazu“, beschuldigte Valerian die blinde Seherin.
„Stimmt doch gar nicht! Ich zwinge niemanden zu überhaupt nichts!“, verteidigte sie sich.
„Na ja … manchmal schon …“, murmelte Flint leise.
„Ha! Da hast du’s!“
Linda verschränkte schmollend die Arme, während sich Valerian ausschüttete vor Schadenfreude. Flint duckte sich leicht, weil sich Linda mit einem bösen Gesicht in seine Richtung wandte.
„Also, wenn ihr keinen Wert auf meine Gegenwart und mein unsinniges Geschwätz legt …“
Sie beendete den Satz nicht. Es war auch gar nicht nötig. Ihr erhobenes Kinn sprach Bände. Und die unausgesprochene Drohung hing im Raum.
Valerian lachte noch lauter und drückte die beiden an sich. Dabei war unklar, wer sich unwohler fühlte: die schmollende Seherin oder der indignierte Geisterjäger.
Kapitel 16
Prof. Lichtenfels war pünktlich wie immer. Er scannte kurz die Reihen und sein Blick fiel sofort auf seine drei „Lieblingsopfer“.
„Ah, die Herrschaften Benndorf, Maienbach und Wagner! Bekomme ich von Ihnen nicht noch eine schriftliche Ausarbeitung?“
Die Frage war rhetorisch. Vermutlich erinnerte sich der ganze Kurs daran, dass sie eine Strafarbeit bekommen hatten. Als Studenten! Es war lächerlich! Vermutlich aber würden sie sich eine weitere einfangen, wenn sie begannen, mit ihm darüber zu diskutieren. Besser war es also, den Grimm fürs Erste runterzuschlucken.
„Liegt auf Ihrem Tisch“, stellte Valerian klar. Er konnte sich vorstellen, wie gerne der Prof ihnen noch eins reingewürgt hätte, doch die Gelegenheit würde er nicht bekommen. Zumindest nicht heute, denn er hatte die Mittagspause dazu verwendet, Katharinas Unterlagen abzuschreiben.
„Ich sehe, Sie sind lernfähig. Sehr gut! Konditionierung werden wir bald in Psychologie behandeln.“
Er lächelte herablassend.
„Doch in Beschwörung Stufe I wollen wir uns einem anderen Thema widmen. Wir werden uns heute mit Geistern – auch Gespenster genannt – beschäftigen. Selbstverständlich können wir das Thema nur streifen. Sie erhalten später einen tieferen Einblick von Professor Desmondo. Zumindest die Talentierten unter Ihnen … Wie bei so vielen anderen Themen bilden sich auch hier die normalen Sterblichen ein, sie würden die ultimative Wahrheit darüber kennen. So ist es nicht verwunderlich, dass wir in Lexika versuchsweise Beschreibungen von Geistern finden. Eine Version dieser Bestrebungen finden wir in Wikipedia. Mir ist zu Ohren gekommen, dass es gewisse Kollegen und Kolleginnen gibt, die des Öfteren aus diesem von Laien zusammengetragenen ,Lexikon‘ zitieren. Ich dagegen wähle diese Internetplattform, um Ihnen an diesem anschaulichen Beispiel zu verdeutlichen, wie unbrauchbar jene Quelle ist! Verwenden Sie Wikipedia also niemals, wenn Sie eine schriftliche Ausarbeitung für mich anfertigen!“
Er tippte eine Taste auf seinem Laptop an und ein Text wurde vom Beamer an die Wand hinter ihn projiziert.
„Als Gespenst oder Geist bezeichnet der Volksglaube ein meist unkörperliches, häufig mit übernatürlichen Fähigkeiten ausgestattetes, aber zugleich mit menschlichen Eigenschaften versehenes Wesen. Es gilt als Phänomen des Spuks oder ruft diesen hervor. Sein zeitweiliges Erscheinen fällt angeblich regelmäßig in die ,Geisterstunde‘ um Mitternacht und vollzieht sich häufig in nebelhaft durchsichtiger, angedeutet menschlicher oder nicht-menschlicher Gestalt oder in einer weißen, zuweilen an Bettlaken erinnernden Gewandung. Gespenster gibt es in der Vorstellungswelt verschiedener Kulturen. Im engeren Sinne des Wortes sind Gespenster nur die Totengeister.“
Der Professor sah in die Runde.
„Gehen wir diesen Absatz der Reihe nach durch: Der erste Satz kann als richtig erachtet werden, da sich die Definition auf den Volksglauben bezieht.“
Sein ironisches Lächeln verriet,
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