Die Cromwell Chroniken: Kaltes Feuer
ihre Unzufriedenheit zu zügeln. Und leider ging sie auch bei ihrem Versuch, Tamara zu verteidigen, sehr ungeschickt vor.
„Aber sicher werden Sie Sir Fowler diese Entscheidung überlassen, oder nicht? Schließlich ist er der Rektor und Sie nur sein Stellvertreter!“
Valerian rieb sich seufzend über die Schläfe. Wie kann man nur so blöd sein?
Lichtenfels’ Miene hatte sich nicht verändert. Er sah immer noch aus, als hätte man ihn aus weißem Marmor gehauen. Wie eine Viper stierte er auf sein Opfer (nun die arme Linda) herab.
„Frau Benndorf, das ist ein wichtiger Punkt. Ich bin der festen Überzeugung, dass Sie und ich dieses Thema unbedingt näher erörtern sollten. Sagen wir doch gleich, morgen von 8 bis 18 Uhr. Ich denke, diese Zeit sollte ausreichen. Und nun wünsche ich Ihnen einen guten Abend und rate Ihnen, sich aus sämtlichen Streitereien herauszuhalten.“
Der letzte Satz war direkt an Valerian gerichtet. Dieser versuchte mit einem Ich-weiß-gar-nicht-was-Sie-damit-meinen-Blick zu kontern. Doch diesmal war es Flint, der sich dazu hinreißen ließ, die Situation zu entschärfen.
„Danke für Ihre Zeit, Professor“, kam es flott, ehe er aufsprang und Linda gegen ihren Willen und unter Protest aus dem Zimmer zog. Valerian hatte Mühe, ihnen zu folgen.
Alles in allem war er schon ziemlich stolz auf sich. Er hatte es geschafft, Tamara zu provozieren, und dafür gesorgt, dass sie einen Rausschmiss kassierte. Und er war mit drei Tagen Hausarrest (in einem Haus so riesig, dass er sich darin verlaufen konnte) davongekommen.
Die nächsten Tage würde er sich also zwischen Schwimmbad und Speisesaal (mit riesigem Dessert-Buffet) entscheiden. Das Leben konnte in der Tat großartig sein …
Kapitel 20
Diesmal! Diesmal muss es gelingen! Meine Geduld ist am Ende! Ich will nicht ständig das Gleiche sehen! Es ist, als würde jemand immer wieder den Anfang einer DVD laufen lassen und sobald es interessant wird, abschalten. Diesmal will ich es bis zum Schluss sehen! Keine Unterbrechungen mehr! Keine Verzögerungen! Ich werde mich jetzt gänzlich dieser Vision hingeben und jede Bewegung wie vorgelebt mitmachen. Keine Experimente mehr! Ich muss das Ende sehen! Endlich begreifen, worum es hier geht! Warum ich ausgewählt wurde. Warum sie nicht eine aus den eigenen Reihen gewählt hat. Das ist ein wichtiges Detail und ich werde ihm auf die Spur kommen!
Geschmeidig schritt sie hinter den anderen her. Keiner sprach. Die Luft war eisig und ihr kalter Biss schmerzte in den Lungen. Die Hände und sogar die Füße in den winterlich gefütterten Schuhen waren kalt. Sie war durchgefroren, doch Handschuhe wären hinderlich gewesen und noch mehr Kleidung konnte sie unter diese Robe nicht stopfen.
Vorsicht! Konzentriere dich auf das, was vor sich geht … Lass die Gedanken der Frau an dir vorbeistreifen … Konzentriere dich auf den Wald! Kommt er dir bekannt vor?
Nein, immer noch nicht. Welche markanten Punkte sollte man hier auch schon finden? Da standen Bäume. Mächtig viele Bäume. Das war alles. Sie hatte jedoch das untrügliche Gefühl, dass sie sich immer noch in Berlin aufhielt. Gar nicht weit entfernt. Nur wo? Vielleicht würde das Ritual darüber Aufschluss geben. Wenn es nur nicht so schrecklich kalt wäre … Doch es war wichtig, was sie hier tat. Es hing so viel davon ab …
Sie hatte Angst davor, zu versagen. Eigentlich war das unsinnig. Die anderen waren bei ihr und sie würden zu siebt sein. Eine starke magische Zahl! Doch mit jedem Jahr war es schwerer geworden, das Ritual erfolgreich zu beenden. Das letzte Mal hatte sogar eine von ihnen ihr Leben dabei verloren. Ihre ganze Essenz war während des Rituals absorbiert worden. Es war grauenhaft gewesen. Der schreckliche Anblick suchte sie noch immer in ihren Träumen heim. Sie hätten sie niemals dafür auswählen dürfen, doch wie hätte eine von ihnen es vorher wissen können, dass sie noch nicht bereit war? Wie hätten sie ihre Fähigkeiten zu überprüfen vermocht? Und wer hätte ahnen können, wie entsetzlich das Ende sein würde …
Sie sollte jetzt nicht mehr darüber sinnieren. Sie war sich nun sicher: Die Vision zeigte eine Begebenheit der Vergangenheit. Das stand für sie fest. Es war bereits geschehen.
Aber warum ist es so wichtig, dass ich das jetzt sehe? Ist das Ritual fehlgeschlagen? Ist es das? Und warum sehe ich alles aus der Sicht genau dieser Frau? Ist sie mittlerweile …
Sie konnte und wollte diesen schrecklichen Gedanken nicht
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