Die Cromwell Chroniken: Kaltes Feuer
frohgemut. Womöglich könnte er doch einschlafen, wenn er noch länger so liegen bleiben würde. Was würde seine Partnerin sagen? Er hat ihr eine unvergessliche Nacht versprochen. Bei dem Gedanken heben sich seine Mundwinkel träge. Die Zeit verstreicht langsam.
Es dauert, bis er die Änderung bemerkt, die sich plötzlich vollzogen hat. Es ist da, ehe er die Schritte hört, noch lange, bevor die Musik abbricht. Das bedrückende Gefühl der Angst und des Versagens. Dieses Gefühl kennt er so gut, dass es ihm in den letzten Monaten zu einer zweiten Haut geworden ist. Sie hatten es doch nicht geschafft. Es war ein Traum gewesen und sie hatten nur einen Tag gehabt, um ihn zu träumen.
Er will seine Augen aufreißen, will aufspringen und zu der Frau gehen, nach der sich sein Herz so sehr sehnt, doch sein Körper verweigert ihm den Dienst. Er hört sie schreien. Ihre Angst und ihr Schmerz hallen in seinen Ohren und scheinen ihn zu verhöhnen. Er hat versagt. Alles ist umsonst gewesen.
Der Schmerz kommt eher als erwartet. Abrupt geht es zu Ende. Es ist vorbei. Hier würde er sterben. Angetrunken auf einer Bank, mit einer Klinge in seinen Eingeweiden. Das Schwarz hüllt ihn ein, noch ehe die Schmerzeswogen jeden Teil seines Körpers erreichen. Alles ist so schnell gegangen. So schnell …
Valerian schreckte auf. War das Flint, der da eben geschrien hatte?
Oh Mann, mit dem willst du wirklich nicht tauschen!
Ob sein Zimmergenosse wieder Geister sah? Er drehte sich behutsam auf den Bauch, um seinen lädierten Rücken zu schonen, und schlief wieder ein.
Es war eine Strafe. Eine verdammt fiese sogar. Die Sonne schien freudig zu ihnen hinein und sie saßen mit düsteren Mienen drinnen. Früher war Valerian ein richtiger Stubenhocker gewesen und Flint sah heute noch aus, als gehöre er zu dieser Sorte Mensch. Doch gegen seinen Willen eingesperrt zu sein, das erweckte in jedem den Ruf der Wildnis … oder der Natur.
Linda versuchte natürlich alles, um die schlechte Laune zu heben. Sie nahm sich gesondert Zeit, um auf die vorzüglichen Nachspeisen und deren riesige Auswahl hinzuweisen. Sie hatte natürlich Recht und als echte Naschkatze vermochte Valerian mit steigendem Zuckerspiegel seine Stimmung auch nicht länger im Keller zu halten. Flint konnte sich mit der Zeit der besseren Laune ebenfalls nicht erwehren und so gestaltete sich ihr Wochenende doch noch vergnüglicher als gedacht. Am Samstag entdeckten sie einen (verbotenen?) Weg aufs Dach und beschlossen, die Sonne so lange wie möglich zu genießen.
„Traumhaft hier! Ich könnte stundenlang einfach nur faul herumliegen“, seufzte Linda genüsslich.
„Ist ganz schön … hoch“, merkte Flint ängstlich an.
„Du bist echt ein Weichei! Sogar Linda ist mit uns die Feuerleiter hochgeklettert!“
„Sie kann ja auch nicht sehen, wie tief es nach unten geht“, motzte Flint beleidigt zurück.
Valerian sparte sich die Antwort und warf stattdessen ein kleines Steinchen in Flints Richtung.
„Aua!“, meinte dieser im Spaß und sie mussten alle drei lachen.
„Hach, Leute, es wird Zeit, dass ich endlich diese dämliche ,Wandelung‘ hinter mich bringe. Eigentlich wollte ich dazu Sir Fowler befragen, doch der hat ein Talent darin, mir auszuweichen. Immer wenn ich Zeit hätte, ihn zu fragen, ist er weg – und umgekehrt.“
„Hast du es denn so eilig?“, fragte Flint.
„Was heißt hier eilig? Du siehst schon seit deiner Geburt Geister.“
Flint verzog das Gesicht, als könne sich Valerian wirklich etwas anderes aussuchen, worauf er neidisch war.
„Super, wir können ja tauschen!“
„Ernsthaft! Ich bin der Einzige, der hier nichts taugt.“
„Ach, was! Das stimmt doch gar nicht“, meinte Linda beschwichtigend.
„So? Dann sag mal, wobei ich bereits nützlich war.“
„Beim Nachsitzen“, schlug Linda vor.
„Du meinst wohl dabei, euch Nachsitzen zu verschaffen …“
„Wir sind doch hier in Cromwell, um zu lernen. Ist ja klar, dass wir noch nichts können.“
„Jaaaa! In der Theorie! Aber die meisten können schon was. Ich meine, schaut euch Tamara an. Jeder würde denken, dass diese Streberin kampfmäßig eine Versagerin ist, doch sie hätte mich beinahe gekillt.“
Linda warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu. „Blödes Beispiel.“
„Okay, dann von mir aus … von mir aus ihr beide! Du bist blind und kannst trotzdem total viel um dich herum erkennen. Du merkst, ob dein Gegenüber aufrichtig ist. Das ist genial! Oder Flint, du kannst
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