Die Cromwell Chroniken: Kaltes Feuer
Valerian. Es ist nicht der Sinn der Sache, dass der Gegner danach wieder aufsteht. Du hattest eine ganze Schar Schutzengel bei dir.“
Ihre Worte ließen selbst den abgebrühten Valerian nicht völlig kalt.
Tamara wollte dich fertigmachen – und du hast sie dazu getrieben. Glanzleistung!
Mit klopfendem Herzen verließ Valerian das Krankenzimmer und wandte sich in Richtung Hölle. Zumindest kam es ihm so vor … Er wurde gleich doppelt bestraft. Erst hatte Tamara ihn erfolgreich „verprügelt“, sodass er das ganze Wochenende Schmerzen haben würde, und nun musste er sich auch noch mit dem „Eisberg“ beschäftigen.
Als er um die Ecke bog, sah er Flint und Linda vor Lichtenfels’ Büro stehen. Offenbar mussten sie draußen warten. Die zwei begrüßten ihn freudig und erkundigten sich nach seinem Befinden.
„Ich konnte es nicht fassen, als ich sah, was Tamara mit dir angestellt hat!“
„Linda, nichts für ungut, aber du bist blind! Wieso siehst du mich dann bitte im peinlichsten Moment meines Lebens?!“
Valerian machte ein wehleidiges Gesicht.
„Erstens sehe ich sowohl Magie als auch Auren von Lebewesen, wie du weißt, und zweitens hatte das überhaupt nichts mit Peinlichkeit zu tun! Es war schockierend! Jeder Orden hat unterschiedliche Ansichten, was Magie und deren Ausübung angeht. Doch wir alle sind uns einig, dass wir sie nicht gegeneinander einsetzten dürfen. Das ist ein Missbrauch der Essenz!“
„Na ja, das sehen nicht alle so …“
Linda warf Flint einen ungeduldigen Blick zu. „Schwarzmagier zählen nicht!“
„Warum bitte zählen sie nicht? Sie benutzen auch Magie.“
„Sie praktizieren dunkle Magie. Versuchen, gezielt Schaden zuzufügen. Eine Perversion der Essenz!“
„Nur, weil sie böse sind, kann man sie doch nicht einfach von der moralischen Verantwortung entbinden“, entgegnete Flint reserviert.
„Ich entbinde sie keineswegs. Ich zähle sie nur nicht zu den verantwortungsvollen Magieanwendern. Und außerdem sollten wir jetzt wirklich nicht streiten. Valerian ist gerade verletzt worden.“
Der Unsterbliche hätte am liebsten laut gelacht. Es war zu köstlich! Kaum litt seine Gesundheit, ging Linda auf Flint los und nutzte ihn, Valerian, als Ausrede, um Flints Argumente zu entkräften. Er hätte sie küssen können – wenn es seine Art gewesen wäre. Doch das war nicht der Fall.
Leider …
„Ja, ich freue mich auch, euch wiederzusehen“, meinte er stattdessen mit einem breiten Grinsen. „Eines ist klar: Ich ersehne meine ,Wandelung‘ mehr denn je. Wenn ich schon ein Spielball für durchgeknallte Hexen werde, dann doch bitte mit Superheilkräften. Frau Frey meinte, es hätte übel ausgehen können, wenn Tamara besser gewesen wäre.“
Die zwei stimmten mit einem düsteren Nicken zu.
„Sie ist gerade bei ihm“, sagte Linda und deutete mit dem Daumen zur Tür. „Wir mussten alles aus unserer Sicht berichten, doch da wir nicht viel wussten, schickte er uns gleich wieder raus.“
„Er schien froh darüber zu sein, dass er derjenige ist, der uns alle disziplinieren darf“, ergänzte Flint trocken.
„Was heißt hier ‚uns alle‘? Ist ja wohl offensichtlich, wer hier diszipliniert werden sollte, oder nicht?“
Ein Blick in die Runde ließ seine Laune schlagartig sinken.
„Ach, nein! Sagt bloß, wir werden ebenfalls bestraft?! Das kann ja wohl nicht wahr sein!“
In diesem Moment ging die Tür auf und eine in Tränen aufgelöste Tamara verließ fluchtartig das Büro. Sie weigerte sich, einen von den dreien auch nur anzusehen, und eilte schnell den Gang hinunter. Wenn Valerians Körper nicht von oben bis unten geschmerzt hätte, hätte er wohl so etwas wie Mitleid empfunden.
„Benndorf, Maienbach, Wagner – reinkommen!“, rief kurz darauf eine gleichgültige Stimme.
Auf in den Kampf! Du schaffst das, Tiger!
Valerian war nur ein Mal zuvor in Prof. Lichtenfels’ Büro gewesen.
Kunststück, das ist auch erst deine zweite Woche, du Genie!
Der Raum ähnelte dem Rektorat nur auf oberflächliche Weise. Alte Möbel, alte Teppiche, Bilder an den Wänden. Damit hörten die Gemeinsamkeiten aber auch schon auf. Die Inneneinrichtung wirkte, als hätte sich jemand bemüht, Prof. Lichtenfels’ Charakter zu berücksichtigen. Das führte zu dem Ergebnis, dass jede Menge ausgestopfte Tiere für ein mulmiges Gefühl und Regale voller alter Bücher für einen muffigen Geruch sorgten. Hier und da standen – dezent verborgen – einige Kristalle in den Schränken.
Weitere Kostenlose Bücher