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Die da kommen

Die da kommen

Titel: Die da kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Jensen
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bezweifleich nicht. Wenn es Kameraaufnahmen gibt, heißt es dann, dass er sich absichtlich in aller Öffentlichkeit getötet hat? Und wenn ja, sollte es eine weitere »große Geste« sein, obwohl er sich in der Heldenrolle unwohl fühlte? Die meisten Selbstmorde geschehen im Verborgenen. Außer sie sind politisch motiviert. Die Attentäter. Die Selbstverbrenner. Die misslungenen Hilferufe. Ich muss wissen, wie er es gemacht hat. Ich bin dem Mann begegnet und habe gesehen, wie er sich wegen seiner Ahnen quälte und auf sehr unchinesische Art und Weise die Sojasoße direkt in seine Reisschale kippte. Das bedeutet etwas, obwohl ich nicht das richtige Wort dafür kenne. Sein Feuerzeug mit dem Glücksaufdruck. Der Bambus mit den schwarzen Stämmen, die wilden Katzen, seine Bemerkung »Ich bin froh, dass man Sie geschickt hat« und wie ich auf Chinesisch antwortete, das gelte auch für mich, was der Wahrheit entsprach.
    »Wie hat er es gemacht?«
    Ashok stößt die Luft aus. »Hör mal, willst du wirklich die blutigen Einzelheiten wissen, Maestro?«
    Ich richte mich auf, um das Gewicht zu verteilen, das auf meinem Rücken lastet. »Ja.«
    »Ich meine, es ist etwas, worüber du sicher nicht länger nachdenken und was du nicht analysieren möchtest und so weiter. Du bist ganz allein da oben auf deinem schottischen Bauernhof, oder?«
    »Ashok. Sag es mir einfach.«
    »Meine Güte. Na schön. Du warst doch im Sägewerk, oder? Sieht aus, als hätte es da ein Sicherheitsproblem beim Zugang zu einer Maschine gegeben … Hey, bist du noch da?«
    Wir schauten hinunter in den mechanischen Strudel der Klingen. Ein weiter Weg nach unten , hatte er gesagt. Die macht Hamburger aus Ihnen … Es ist, als würde man in kleine Stücke zerrissen. Er hat mir die Maschine, den Stofflöser,gezeigt. War es wirklich sein Wunsch, dass ich mir vorstelle, was mit ihm geschehen war, nachdem er sich hineingestürzt hatte?
    »Ja. Ich bin noch da.«
    »Die Frage ist, wieso. Hast du eine Antwort?«
    Ich denke nach. »Selbstmord wird meist durch eine Form der Depression ausgelöst.«
    Aber das reicht nicht. Sunny Chens psychischer Schmerz war eine hochkonzentrierte und besondere Form der geistigen Störung. Er war von etwas überzeugt, was er nicht ganz vermitteln konnte oder wollte: eine Geschichte über Hungergeister, die er aus unerfindlichen Gründen für unerzählbar hielt. Die Last auf meinen Schultern verschiebt sich, verschwindet aber nicht. Hat meine Ermittlung seinen Selbstmord ausgelöst?
    »Egal, Kumpel, du musst seinen Tod in deinen Bericht einbauen. Stephanie Mulligan kann etwas dazu beisteuern, falls du den psychologischen Blickwinkel haben willst.«
    »Nein, danke.« Ich sage es zu schnell und zu heftig.
    Stephanie Mulligan arbeitet seit vier Jahren für Phipps & Wexman. Sie ist eine kompetente und extrem ehrgeizige Mitarbeiterin, die vermutlich in wenigen Jahren die psychologische Abteilung leiten wird. Trotz einer Körbchengröße von 75A gilt sie gemeinhin als attraktiv. Ich versuche, ihr aus dem Weg zu gehen. Wann immer ich an sie denke, kann kein mentales Origami dieser Welt den Schaden beheben, den sie meinem Nervensystem zufügt. Meine Haltung ihr gegenüber ist komplex, und zwar aus Gründen, über die ich nicht weiter nachdenken möchte.
    »Sie hat etwas über arbeitsplatzbezogene Selbstmorde geschrieben. Könnte dir helfen.«
    »Wenn ich es brauche, schlage ich es nach.« Wieder zu schnell.
    Er seufzt. »Wie du willst. Aber sieh zu, dass du die Kurve kriegst.« Ich trotte über den schlammigen Weg, wobei mein Anorak nasse Ginsterbüschel streift, und wünsche mir, Ashok hätte Stephanie Mulligan nicht erwähnt. Ich dachte, ich hätte sie in die Vergangenheit verbannt. »Und wie geht es sonst so, Maestro?«
    »Bestens. Ich genieße die Natur. Und ich habe einen Goldfisch.«
    »Klingt nach einem guten Anfang. So. Sieh zu, dass du einen klaren Kopf bekommst, dann schreibst du den Bericht zu Ende und rufst mich an, wenn du durch bist. Ich weiß, es ist keine leichte Aufgabe. Glaub nicht, ich hätte kein Mitleid mit dir. Aber ich verlasse mich darauf, dass du pünktlich ablieferst.«
    Er weiß, dass ich das tun werde. Als Professor Whybray mich Phipps & Wexman empfahl, war es Ashok Sharma, der mein Talent für die Identifizierung und Nachverfolgung von Mustern erkannte. »Wie die französischen Schweine, die in den Wäldern von la Leck-mich-doch nach Trüffeln suchen.« Er war es, der mich einstellte.
    Nachdem wir uns verabschiedet

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