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Die da kommen

Die da kommen

Titel: Die da kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Jensen
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hatte. Wir haben über hundert Länder geschafft. Dann sprachen wir über die Kultur und Traditionen des jeweiligen Landes, und ich erzählte ihm Volksmärchen, während er aß. Wenn Kaitlin nach Hause kam, probierte er die morgendliche Sprache an ihr aus oder erzählte eine Geschichte. Russisch mochte er besonders, und die Geschichte von BabaJaga Knochenbein, der Hexe, die in einem Haus wohnte, das auf Hühnerbeinen stand. Er sagte oft da und njet statt Ja und Nein.
    Diesmal sagte er gar nichts.
    Er warf nur sein Ei auf den Boden. Es zerbrach und lag dampfend da. Er weigerte sich, mit mir zu sprechen. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Also wischte ich es weg. Ein paar Minuten später rief Kaitlin an und fragte, wie es gelaufen sei. Als ich es ihr erzählte, sagte sie, sie werde nach Hause kommen.
    »Es ist am besten, wenn er dich eine Zeit lang nicht sieht«, sagte sie, als sie kam. »Es regt ihn nur auf.«
    Ich ging nach draußen und spülte den Wischmopp unter dem Wasserhahn aus.
    Es wird jetzt dunkler, der eisengraue Himmel ist flachgespült von den Überresten des Hurrikans. Der Geruch nach nassem Ginster ist kraftvoll und roh wie Diesel. Ich erkenne inzwischen einige Vogelarten. Gryllteiste, Kormoran, Eiderente. Ich habe auch Wanderfalken gesehen. Freddy würde ich Folgendes über Vögel erzählen: In Taiwan habe ich Einfarbsittiche gesehen, die über die Schreine der Toten hinwegflogen. In Städten haben manche Vogelarten begonnen, elektronische Geräte wie Autoalarmanlagen und Türklingeln zu imitieren, und sie sogar in ihre Gesangsmuster aufgenommen. Bei den Klingeltönen bevorzugen sie Nokia. Dann würde ich ihn fragen: Aber was wäre, wenn sie anfingen, einen Klingelton nachzuahmen, der selbst wie ein Vogelruf klingt? Dann hätte man auf einmal Amseln, die sich wie Tukane anhören, und Stelzvögel, die sich als Mainas ausgeben. Die würden wiederum jemand anderen kopieren.
    Das würde dem Jungen gefallen. Er würde lachen, dass man seine kleinen Zähne sieht. Meist hat er irgendwo eineZahnlücke, in der ein neuer wächst. Er putzt nicht gern die Zähne. Um ihn zu motivieren, stellte ich mich im Badezimmer neben ihn, und wir versuchten, synchron zu putzen. Am Ende schnitten wir verrückte Grimassen vor dem Spiegel und spuckten Zahnpasta.
    Manchmal taten wir, als hätten wir die Tollwut.
    Mein Handy vibriert. Ich hole es aus der Tasche und nehme das Gespräch an, ohne hinzusehen, weil ich mit Kaitlin rechne. Wenn sie ihre Tirade, ich solle meine restlichen Sachen endlich abholen, beendet hat – und ich weigere mich, das zu tun, bis sie mich Freddy sehen lässt –, darf ich hoffentlich mit ihm reden. Da ich nicht offiziell sein Stiefvater bin, ist sich Kaitlin ihrer Macht nur allzu bewusst.
    Aber es ist nicht Kaitlin.
    »Wie geht’s, wie steht’s, Maestro?« Ashok Sharma.
    Komisch. Normalerweise rufen mich Phipps & Wexman nicht auf dem Handy an: Sie bevorzugen das direkte Gespräch über Skype.
    »Danke, gut, Ashok«, antworte ich. Ich vermute, dass sich der Ausdruck »wie steht’s« ursprünglich auf den Penis bezog. Ich stelle mir Ashok vor, wie ich ihn so oft auf dem Bildschirm sehe, die Hemdärmel aufgerollt, die Füße auf dem Schreibtisch, leicht gepixelt und zeitverschoben. Er hat seine Hautfarbe einmal als Starbucks Latte beschrieben, doch als ich eine Farbkarte an sein Handgelenk hielt, musste er mir zustimmen, dass Gebrannte Umbra der Firma Sanderson der Wahrheit näher kommt. Die Familie seiner Mutter stammt aus Mumbai und sein Vater aus Kaschmir, aber Ashok, dessen Name »ohne Traurigkeit« bedeutet, wurde in Florida geboren und bezeichnet sich als »waschechten Yankee«. Das ist natürlich ein Witz.
    »Hm. Ich rufe wegen dieses Typen an, gegen den du aufdeiner Fernostreise ermittelt hast. Der taiwanesische Informant.«
    Sunny Chen. Ich gehe schneller.
    »Du bekommst den Bericht morgen Nachmittag«, sage ich.
    »Die Sache ist die …«, fährt Ashok fort.
    Ich habe mal gehört, wie ein Kollege ihn als »blöden Wichser« bezeichnete. Ich mag ihn. Ich mag seinen Geruch nach Leder und Aftershave und sein spielerisches, wenn auch etwas kindliches Wesen, und es macht mir nichts aus, dass er mich Maestro oder Spock nennt. Wenn ich in London bin, gehen wir manchmal an der Themse einen trinken, wo er mich als Muschimagnet und sich selbst als geilen Gefährten des Muschimagneten vorstellt. Wenn er nicht gerade Frauen einen ausgibt, mit denen er Sex haben möchte, erzählt er mir von seinen

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