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Die da kommen

Die da kommen

Titel: Die da kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Jensen
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lieber, wenn du die Klappe hältst und nichts sagst, du Freak!« Er kippt alle Stifte aus, sie rollen über den Tisch.
    »Die anderen Kinder. Wo sind die jetzt?«
    »Woher soll ich das wissen?« Ist er wütend, weil er sich nicht erinnern kann oder weil er verwirrt ist? Oder beides? »Sie sind überall!«
    Am liebsten würde ich ihn aus- und wieder einschalten, einen Neustart erzwingen. Er ist immer noch Freddy, aber er funktioniert nicht normal.
    Ist er noch Freddy?
    Würde ich meine geistige Gesundheit darauf verwetten?
    Ich gehe online. Es gibt fast schon zu viele Optionen auf der Homepage der BBC. Folgen Sie uns auf Twitter. Schicken Sie uns Ihre Geschichten und Bilder. Hotline für die Krisenberatung. Sehen Sie Live-Aufnahmen von Überwachungskameras in Ihrer Nachbarschaft . Die weltweiten Angriffe durch Kinder haben abgenommen, weil die Eltern wachsamer geworden sind, doch die britische Regierung hat alle Familien mit kleinen Kindern dringend aufgefordert, die Ausgangssperre einzuhalten und wachsam zu bleiben. Schätzungen zufolge ist jede vierte Familie betroffen. Religiöse Anführer flehen um Ruhe und bitten ihre Anhänger, für die Kinder zu beten.
    Der Augenarzt hat nicht geantwortet, doch die Nierenexpertin, die Ashok hinzugezogen hat, hat ihren Kommentar zu Svenssons Autopsie geschickt. Sie erklärt, es sei höchst unwahrscheinlich, dass die Augeninfektion in irgendeiner Weise mit der Nierenanomalie zusammenhänge. Überzählige Nieren seien keineswegs neu. Das Phänomen nimmt nachgewiesenermaßen weltweit zu, vor allem in Küstenregionen. Eine jüngere (umstrittene) Hypothese deutet auf eine »evolutionäre Verschiebung« hin, mit deren Hilfe der Körper dem zunehmenden Salzgehalt infolge des beschleunigten Wasserzyklus der Erde begegnet. Dies wurde bereits an vielen Tierarten dokumentiert. Allerdings ist zu beachten, dass im vorliegenden Fall die überzählige Niere deutlich kleiner und in einem deutlich besseren Zustand als die »Elternnieren« ist, die für einen Mann dieses Alters unauffällig erscheinen.
    Falls die anderen Autopsien keine ähnlichen Anomalien ergeben, dürfte dies nicht weiter hilfreich sein, aber ich leite die E-Mail dennoch an Professor Whybray, Ashok und Stephanie weiter.
    Naomi Benjamin hat mir das übliche Aufnahmeformular für Battersea geschickt. Darin wird darauf hingewiesen, dass ich als Elternteil oder Vormund des Kindes verpflichtet bin, ihn/sie gemäß dem Plan, der bei der Ankunft mit der Leitung vereinbart wird, in die Pflegeeinrichtung zu bringen und von dort abzuholen. Der Elternteil/Vormund muss sich verpflichten, den Namen des Kinderarztes, die Anschrift und den jeweiligen Praxiscode anzugeben, damit seine/ihre Patientenakte angefordert werden kann. Außerdem sollten, wenn möglich, die aktuelle Größe und das Gewicht des Kindes angegeben werden. Alle Tageskinder werden mit zwei Uniformen ausgestattet. Hinweis: Freiwillige Helfer sind willkommen, vor allem wenn sie über medizinische Fähigkeiten oder eine psychologische Ausbildung verfügen.
    Freddys Größentabelle hängt noch in der Küche, zusammen mit kleinen Klebezetteln, auf denen Alter und Gewicht an bestimmten Daten vermerkt sind. Kaitlin trug die Werte alle sechs Monate ein: an seinem Geburtstag im Januar und seinem »halben Geburtstag« im Juli. Nicht zum ersten Mal frage ich mich, wer sein leiblicher Vater ist. Dabei werde ich immer eifersüchtig und wütend, und mein Herzschlag beschleunigt sich. Wie kann sich ein Mann derart vor seiner Verantwortung drücken?
    Oder hat Kaitlin es ihm nie gesagt?
    Ersteres wäre falsch. Letzteres unmoralisch.
    Warum kann ich nicht Freddys richtiger Vater sein?
    Ich falte drei Würfel.
    Während ich den Vordruck ausfülle, ruft Stephanie wieder an. Sie klingt erschöpft und beschreibt ihre Arbeit mit der Familiengruppe als »extrem belastend«. Ich erzähle ihr von Freddys Verhalten und unseren letzten Gesprächen. Sie hakt nicht nach.
    »Du versuchst ihm aus dem Weg zu gehen, oder?«, frage ich.
    »Ja. Schön, dass du danach fragst.« Sie klingt sehr angespannt.
    »Das ist unfair. Er ist nur ein Kind.«
    Sie seufzt tief. »Ich komme heute Abend nach Hause, dann können wir drei miteinander reden.«
    »Gut. Das müssen wir auch.«
    Den Rest des Tages wirkt Freddy lustlos und schweigt die meiste Zeit. Es gelingt mir nicht, ihn in ein Gespräch zu verwickeln, also lasse ich ihn viermal hintereinander Die trockene Welt anschauen.
    Um sechs kommt Stephanie nach Hause.

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