Die da kommen
Professor Whybray sprechen –, aber es ist ständig besetzt. Ich will wissen, ob die Kinder, die jemanden angegriffen haben, Wörter wie »Blindheit« oder »anderes Blut« erwähnt oder Angst vor Vergiftung geäußert haben. Ob die medizinische Untersuchung etwas Ungewöhnliches ergeben hat. Haben sie die Alte Welt erwähnt?
Um 11.18 Uhr rufe ich Annika Svensson an. Ich habe Glück. Sie meldet sich nach achtzehnmaligem Klingeln und ist außer Atem.
»Wie geht es Ihnen, Hesketh? Ist es bei Ihnen so schlimm wie hier?«
»Statistisch gesehen ist es viel schlimmer, weil die Bevölkerung viel größer ist.«
»Ich war gerade bei meiner Nachbarin. Sie ist verrückt geworden. Ihr Sohn hat gestern Abend seinen Sportlehrer angegriffen. Mit einer Eisschaufel.«
Ich informiere sie kurz über das, was mit Farooq und de Vries in Dubai geschehen ist und was Freddy gestern Abend seiner Mutter angetan hat. Sie drückt ihren Schock und ihr Entsetzen auf typisch skandinavische Weise aus, indem sie entschieden »nein« sagt.
»Die Kinder, die Leute angegriffen haben, sind gierig nach Salz, genau wie Jonas. Können Sie mir genau sagen, was er sonst noch im Gartenschuppen aufbewahrt hat? Sie erwähnten Algen und Gläser und Säcke mit Getreide und Coca-Cola.«
»Ja«, sagt sie, noch immer außer Atem. »Was er nie gemocht hat. Und dann diese großen Algenklumpen. Gott weiß, wozu die gut sein sollten. Sie sind noch nicht richtig trocken und voller Viecher, die darin herumkrabbeln.«
»Was sonst noch?«
»Schokolade. Und Säcke mit Nüssen. Ich weiß nicht, wo er die herhatte. Und viele Päckchen mit Samen.«
»Welche Arten?«
»Gemüse. Alle möglichen Gemüsesorten. Was seltsam ist, denn er mochte Blumen viel lieber. Malven und Lupinen und Sonnenblumen. Er mochte die großen.«
»Sie erwähnten schon das Getreide. Wissen Sie, welche Sorte?«
»Es steht auf den Säcken. Sie kommen aus Indien. Irgendwas mit Ara.«
»Amaranth.«
»Genau das. Sagt Ihnen das etwas?«
»Es enthält viel Protein. Und auch Lysin, das in den meisten Getreidesorten nicht enthalten ist. Die Blätter sind essbar. Es eignet sich nicht für Brote, die aufgehen müssen, aber man kann Fladenbrot daraus backen. Stand er auf Überlebenskunst?«
»Nein«, sagt sie nachdrücklich. »Überhaupt nicht.«
Nachdem wir uns verabschiedet haben, stelle ich sie mir in ihrer bambusgrünen Jacke vor, mit dem faltigen Gesicht und ihrem jugendlichen Sohn Sven, der Nachbarin, die verrückt wird, und ihrem toten Ehemann Jonas, dessen Penis schlaff auf seinem Oberschenkel lag und dessen Tod ich mitangesehen habe und der große Dinge schön fand. Als ich ins Wohnzimmer zurückkehre, liegt Freddy eingerollt auf dem Sofa und schläft, den Po in die Luft gestreckt. Die Milch hat er nicht angerührt.
Ich breite meine Kreise auf dem Boden aus und beginne, mit ihnen zu experimentieren. Nach einigen Augenblicken kristallisieren sich zarte Verbindungen heraus.
Um 12.40 Uhr klingelt mein Handy.
»Hesketh.« Diese dünne, kehlige Stimme.
»Professor Whybray.« Ich könnte ihm diese Diagramme zeigen, und er würde sie sofort verstehen. Wir haben gegeneinander Schach gespielt. Mit Kreuzworträtseln gekämpft. Er redete gern. Er genoss es besonders, mir die Theorien seiner Rivalen vorzutragen, um meine Reaktion zu testen. Schweigen war nie sein Ding.
»Wollen Sie mich immer noch nicht Victor nennen?«
»Nein.«
Er lacht. »Gut.«
»Wieso?«
»Es heißt, dass Sie sich nicht verändert haben. Was ausgezeichnet ist. Denn Sie müssen genau derselbe Hesketh sein wie zuvor. Phipps & Wexman sind offiziell mit an Bord. Sie können morgen in Battersea anfangen. Ich will Sie nicht einfach so im Team haben. Ich brauche Sie dringend. Und falls da draußen irgendwelche Klone von Ihnen herumlaufen, brauche ich die auch.« Er hält inne. »Erinnern Sie sich an die Zeiten, als Sie so freundlich waren, mit mir ins Krankenhaus zu kommen? Als Helena im Sterben lag?«
»Natürlich.« Es gab lange Wartezeiten. Wir saßen auf Plastikbänken, und er machte makabre Witze über verpfuschte Operationen und resistente Superkeime. Wenn er zu Helena oder ihrem Arzt ging, besorgte ich uns etwas zu essen undtrinken aus dem Automaten. »Wissen Sie, weshalb ich nie zusammengebrochen bin?«
»Weil britische Männer Ihrer Generation und Statur traditionell stolz sind und ihre Gefühle nicht öffentlich zeigen.«
»Das stimmt. Vor allem aber, weil Sie sich an die Fakten gehalten und nie irgendetwas
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