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Die da kommen

Die da kommen

Titel: Die da kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Jensen
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Sterbenden beschreibt, wird Stephanie womöglich eine ähnliche Entwicklung durchlaufen, die jedoch dadurch komplizierter wird, dass Kaitlin noch am Leben ist. Dieser Prozess wird zweifellos die klassischen Phasen von Nichtwahrhabenwollen und Isolierung, Zorn, Verhandeln, Depression und Akzeptanz umfassen. In welcher Kombination werden sie auftreten und in welcher Reihenfolge? Ich nehme an, dass ihre Bewertungsmechanismen schwer beeinträchtigt sind und dass ihre Labilität zunehmen wird. Sie hat Freddy gegenüber schon Feindseligkeit gezeigt.
    »Was irrational ist. Stephanie muss das begreifen, schließlich ist sie Psychologin. Ihre Abneigung hat keine logische Grundlage«, sage ich zu Ashok. Es ist mir gelungen, ihn über Skype zu erreichen. Sein Haar, das gewöhnlich mit Gel geglättet ist, steht in seltsamen Büscheln ab und lässt ihn unstet und erregt erscheinen.
    Er schüttelt den Kopf. »Das steht in den Lehrbüchern, Maestro. Aber ich habe schon versucht, dir klarzumachen, dass der Rest von uns anders tickt. Ich persönlich würde diese beiden kleinen Scheißer, die das Leben meiner Schwester zerstört haben, nur zu gern mit eigenen Händen erwürgen. Und mit jeder Stunde, die vergeht, bin ich weniger bereit, ihnen zu verzeihen. Das ist ein verdammtes Chaos.«
    »Du wirkst immer noch ein bisschen manisch, Ashok.«
    »Sicher. Sicher bin ich manisch. Scheiß drauf. Was sollte ich denn sonst sein?«
    »Es gibt verschiedene Optionen.«
    »Schön, zieh du deine Sache durch, Spock, und ich meine. Jedenfalls haben wir es mit einer völlig neuen Dimension zu tun.« In der Quantenmechanik widersprechen die fortschrittlichsten Theorien der Intuition. »Wie geht es Kaitlin?« Ich berichte ihm von der Prognose.
    »Herrgott, Mann.«
    »Stephanie ist noch bei ihr im Krankenhaus.«
    »Ich dachte, ihr hättet nichts mehr miteinander zu tun?«
    »Haben wir auch nicht. Stephanie und Kaitlin aber schon. Sozusagen.« Ich schließe die Augen und berichte rasch und präzise. Ich bin froh, dass ich es vorher geübt habe.
    »Wow. Das ist ja der Hammer. Meine Güte, wenn ich das gewusst hätte, dann hätte ich sie natürlich niemals nach Dubai geschickt.«
    »Es hat funktioniert. Ich durfte Freddy sehen.«
    »Bereust du das nicht?«
    »Warum sollte ich?« Manchmal verstehe ich ihn nicht.
    »Vergiss es. Ich brauche noch einen Kaffee. Bleib dran.« Ashok bewegt den Laptop, und ich kann die riesige Küche in seiner Wohnung sehen, ausgestattet mit hohen Töpfen, gusseisernen Pfannen, Bambusdämpfer, Zangen aus Edelstahl, verschiedenen Durchschlägen und einer Profiwaage. Ich beobachte, wie er die Espressomaschine füllt. »Hast du von dem Flugzeugabsturz in Frankreich heute Morgen gehört? Sabotage. So ist es überall zu lesen. Wird heruntergespielt, aber es ist passiert. Du hast die Nachrichten gesehen? Wenn du und der alte Whybray recht habt und es sich um eine und nicht um zwei Epidemien handelt, haben wir es mit einer vollkommen neuen Welt zu tun. Ich meine, begreifst du etwa, was diese Kinder getan haben? Mein eigenes Fleisch und Blut, verdammte Scheiße! Manju kommt herein, um ihm zu sagen, dass das Abendessen fertig ist. Er verblutet gerade auf dem Teppich. Die Kinder sitzen auf dem Sofa und schauen zu,als wäre es Fernsehen. Sie trinken Cola und knabbern Mini-Papadams. Er keucht noch mal, dann ist er tot. Sie sitzen da und knabbern , verdammt noch mal, als wäre alles in schönster Ordnung!« Ein Dampfstrahl schießt aus der Maschine. Mit einem gereizten Aufschrei zieht er die Kaffeetasse weg. »Er war kein schlechter Vater. Er hat tolle Ferien mit ihnen verbracht, ihnen den ganzen teuren Kram gekauft, den sie haben wollten. Er hat es nie und nimmer verdient, dass man ihm mit einem beschissenen Küchenmesser die Kehle durchschneidet.«
    »Es passiert vollkommen willkürlich. Das weißt du.«
    »Klar weiß ich das. Scheiße, Scheiße, Scheiße.« Er hat seinen Kaffee verschüttet und sich verbrüht. Brüllend springt er umher und wedelt mit der Hand. »Schau mich an, Mann. Aber das ist noch gar nichts. Du hältst mich für manisch? Da solltest du mal Manju sehen. Sie geht die Wände hoch.« Er fängt an, den Kaffee aufzuwischen. »Ich habe die Kinder gestern Abend in die Pflegeeinrichtung in Hendon gebracht. Sie werden rund um die Uhr dort bleiben. Wie sich herausgestellt hat, gibt es Sonderregelungen für sogenannte Multiple. Manju wird sie nicht besuchen. Ihre älteren Kinder sagen, sie wollen sie nie wiedersehen. Unsere Eltern

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