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Die da kommen

Die da kommen

Titel: Die da kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Jensen
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Professor Whybray vor. »Vielleicht hat es etwas mit dem Erwachsenwerden oder der Angst davor zu tun. Oder dem Drang danach. Sie sind alle noch vorpubertär. Sagen wir, die Familie steht für den Garten Eden. Indem sie ihre Angehörigen angreifen, zerstören sie ihn, machen sich selbst zu Ausgestoßenen und lassen die Alte Welt hinter sich. Die Freiheit von den Erwachsenen ist ihre Bestrafung. Oder ihre Belohnung, je nach Sichtweise. Die Frage ist also: Himmel oder Hölle?«
    »Das Pyjama-Mädchen hat von einer schönen, funkelnden, weißen Wüste geträumt, die nach ihrer Aussage wie der Himmel aussah.«
    »Wenn ja, muss es ein salziger Himmel sein. Was haben Sie in dieser Hinsicht herausgefunden?«
    Ich schaue in meine Notizen. »Da wäre die Tatsache, dass sich dieser Mineralstoff in letzter Zeit sehr dynamisch verhält. Der Salzgehalt der meisten Ozeane hat schon in den vergangenen fünfzig Jahren dramatisch zugenommen, in den letzten drei oder vier Jahren aber noch viel stärker. Vielerorts berichtet man von gewaltigen Kristallablagerungen im Landesinneren, weil das Grundwasser so salzhaltig ist. Die Bauern kämpfen seit Jahren dagegen an. Es dringt durch Kapillartransport an die Oberfläche, und wenn es verdunstet, entstehen ganze Wüsten. In Südaustralien gibt es schon Millionen Hektar, auf denen nichts mehr wächst. Man nennt es den Weißen Tod.« Der Professor ändert seine Sitzposition und zuckt vor Schmerz zusammen. Nach Helenas Tod hatte er einen Bandscheibenvorfall, das muss ein Überbleibsel davon sein. Ich überlege kurz. »Laut der Nierenspezialistin, die sich Svenssons Autopsiebericht angeschaut hat, nimmt in den Küstengebieten das Phänomen von überzähligen Nierenzu. Freddy sagt, er habe anderes Blut. Daher frage ich mich, ob er eine physische Anomalie in sich spürt, die er dem Blut zuschreibt, oder ob er es sich so lebhaft vorstellt, dass es sich real anfühlt. Wenn wir davon ausgehen, dass die beiden betroffenen Gruppen der Meinung sind, sie gehörten in eine extrem salzhaltige Umgebung, dann wäre das eine Erklärung dafür, warum sie so begierig nach Salz sind und psychosomatische Entzugserscheinungen aufweisen, wenn sie es nicht erhalten.«
    »Das ist gar nicht so weit hergeholt«, meint Professor Whybray. »Wir sprechen hier von dramatisch veränderten Zuständen. Sie müssen sich diese Kinder nur mal anschauen, um zu erkennen, dass in ihrer gesamten mentalen Landschaft etwas Radikales passiert sein muss. Selbstverständlich kann sich das auf das ganze System auswirken. Es wäre sogar seltsam, wenn das nicht der Fall wäre. Ich habe das Gefühl, wenn wir herausfinden, wo diese Kinder ihrer eigenen Meinung nach hingehören, werden wir herausfinden, wer sie sind. Oder, besser gesagt, für wen sie sich halten . Und für wen sie uns halten. Denn es ist ziemlich klar, dass es sich bei uns um zwei ziemlich verschiedene Stämme handelt.« Er verzieht einen seiner Mundwinkel nach oben. »Jeder dieser Stämme hält seine eigene Realität für überlegen. Ein ganz schön metaphysisches Rätsel.«
    »Als Freddy von Jonas Svenssons Tod sprach, sagte er: Ihr habt gemacht, dass wir geboren werden, und dann habt ihr gemacht, dass wir so leben. «
    »Worauf bezog sich das ihr ?«
    »Das weiß ich nicht. Das ist ja genau …« Ich halte inne und kneife die Augen zu. Dann sehe ich es. Natürlich. Ich öffne meinen Laptop und rufe das Venn-Diagramm auf, mit dem ich versucht habe, eine Verbindung zwischen den Sabotagefällen herzustellen. »Dieses Diagramm. Es ist ein Mahlstrom.Zu viele Überlappungen.« Ich deute auf das Durcheinander der Kreise. »Die Welt der Industrie, die Welt der Wirtschaft, die Welt der Arbeit. Alles ist miteinander verbunden. Also könnte jeder einzelne Kreis die Universalmenge sein. Aber wenn man es vom Standpunkt eines Kindes aus betrachtet, ist es offensichtlich.« Ich halte inne, als sich die Gewissheit in mir ausbreitet. Ich hätte es längst erkennen müssen. »Es ist die Welt der Erwachsenen. Der Großen. Sie sind Wir . Und wir sind Sie . Sunny Chen hat gesagt: Sie hassen uns. Als er sie sagte, dachte ich, er meinte die Kinder.«
    »Was uns zu welcher Schlussfolgerung führt?«, fragt Professor Whybray.
    Ich denke kurz nach. »Dass ein unbekannter Anteil der Kinder in dieser Welt nicht nur ein kollektives Bewusstsein entwickelt hat, sondern eine kulturelle Geschichte, in der ihr eigenes Überleben von der Zerstörung einer zeitgenössischen Erwachsenenwelt abhängt.«
    »Und

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