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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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gehen«, sagte das Kind, als das Flüstern verstummt war.
    Theron verdrehte die Augen. »Ich möchte ja niemandem zu nahe treten, dem die Götter bereits eine besondere Bürde auferlegt haben«, sagte er, »aber die Einzigen von unserer Pilgerschar, die zu Fuß gehen, sind die Jungen und Kräftigen — wir wandern schnell. Ich habe ja gesehen, wie sich dieser Mann bewegt. Er könnte nicht mithalten, und wir könnten es uns nicht leisten, auf ihn zu warten.«
    Der Junge sah ihn verdutzt an, obwohl Theron sich doch unmissverständlich ausgedrückt zu haben glaubte. Dann drehte sich der kleine Bettler um und sah seinen Herrn an. Der streckte plötzlich die verbundene Hand nach Theron aus. Theron wich unwirsch zurück, sah dann erst etwas auf den dreckigen Verbandslumpen funkeln. Eine Goldmünze.
    »Er wird für einen Platz auf einem der Pferde bezahlen«, sagte der Junge, nachdem ihm der Bettler etwas zugeflüstert hatte.
    »Das ... das ist ja ein Delphin?«, sagte Theron verblüfft. »Ein ganzer Golddelphin!« Das war zehnmal so viel, wie er an dem ganzen Pilgerzug verdiente. Der Junge drehte sich wieder um, weil der Vermummte an seinem Ärmel zupfte, um ihm abermals etwas zuzuflüstern.
    »Er sagt, Ihr sollt ihn nehmen. Die Toten brauchen kein Gold.«

    Sie irrte im Wald umher, hatte aber keine Angst — jedenfalls nicht allzu große. Die Bäume wiegten sich, doch sie spürte keinen Wind. Die Bäume bogen sich auf sie zu, wenn sie an ihnen vorbeiging, und reckten Zweigfinger nach ihr, berührten sie aber nie. Die Welt war nachtdunkel, aber sie konnte sehen: Ein Licht bewegte sich mit ihr, erhellte ihren Weg und ihre nächste Umgebung.
    Etwas huschte vor ihr über den Pfad, etwas Silbriges, Flinkes, dicht am Boden. Sie schlug eine andere Richtung ein, um ihm zu folgen, und der Pfad drehte sich mit.
    Ich träume,
erkannte Briony.
    Das flinke Etwas schimmerte wieder vor ihr auf. Es war real und geisterhaft zugleich, irgendwie fühlte sie, wie es sie beobachtete, selbst wenn es vor ihr herlief. Sie wusste, es wollte sie irgendwohin führen, an einen wichtigen Ort, und sie musste unbedingt so nah an ihm dranbleiben, dass sie es nicht aus den Augen verlor, aber sie fiel bereits zurück. Die Bäume wurden dichter, der Pfad war immer schwerer zu erkennen. Das silbrige Etwas schimmerte noch einmal auf, jetzt weit vor ihr, dann war es außer Sicht.
    Briony erwachte mit einem Versagens- und Verlustgefühl, das weit über alles hinausging, was Träume normalerweise hinterließen, und es fraß an ihr, dass ihr etwas Wichtiges entgangen war. Ihre Dienerinnen schwirrten bereits geschäftig um sie herum, drängten sie, endlich aufzustehen. Briony hatte eine Verabredung einzuhalten.

    Dawet trug sein übliches Schwarz, aber mit einem feinen Unterschied zu sonst: Diesmal schienen seine Kleider eher für höfische Vergnügungen geeignet als dafür, sich unauffällig in dunklen Gassen und an zwielichtigen Orten zu bewegen. Seine Ärmel hatten leuchtend rot unterlegte Schlitze, das Futter seines Mantels war vom selben Blutrot, und seine Beinkleider zierten ebenfalls senkrechte Streifen von Weiß und Rot.
    »Ein neuer Treffpunkt?«, fragte er sie und sah sich im Springbrunnenhof um.
    »Hier ist es etwas lauter. Da kann uns nicht so leicht jemand belauschen.« Briony musterte seine Aufmachung. »Ihr seht heute weniger lichtscheu aus als sonst, dan-Faar.«
    Er verbeugte sich ironisch. »Mylady sind zu gütig. Tatsächlich habe ich ... noch eine Verabredung nach dieser hier.«
    »Mit einer Frau?« Briony wusste nicht, warum sie das in irgendeiner Weise interessieren sollte, aber es nagte ein wenig an ihrem Herzen.
    Dawets Lächeln war ausnahmsweise weder wissend noch spöttisch. »Ich bin, wie ich hoffe, Euer Freund, Prinzessin. Vielleicht nicht mehr, mit Sicherheit aber nicht weniger. Zum Beispiel bin ich nicht Euer Diener. Meine Verabredungen sind allein meine Sache.«
    Briony schluckte eine schnippische Entgegnung hinunter und berührte das Zorienamulett um ihren Hals, um sich an das zu erinnern, was wichtig war. Was er sagte, stimmte: Sie hatte kein Recht und, mehr noch, keinen vernünftigen Grund, sich dafür zu interessieren, was Dawet tat und mit wem, sofern es nicht um ihre eigene Sicherheit ging. »Solange wir Freunde
sind«,
sagte sie. »Solange ich Euch vertrauen kann, Dawet. Ich meine das ernst — ich brauche jemanden, dem ich vertrauen kann.«
    Er sah sie merkwürdig an. »Ihr scheint ängstlich, Prinzessin.«
    »Ängstlich

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