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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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haben ihn zurückgebracht. Das ist keine Krankheit, sagt er.«
    Theron machte das Zeichen gegen das Böse, entsann sich dann seiner Stellung und änderte es schnell zum Zeichen der Drei. »Er redet Unsinn. Die Toten kommen nicht zurück. Nur der Waisenknabe, und der war der Liebling der Götter.«
    Sowohl Theron als auch der Junge warteten auf eine Antwort des Vermummten, aber der schwieg und blickte auf das dämmerige Tal und das schmutzig-silberne Band des Pellos hinaus.
    »Nun, ich kann hier nicht ewig herumstehen«, sagte der Pilgerführer schließlich. »War nett, mit Euch zu reden und überhaupt«, fügte er im Gedanken an den maßlos übertriebenen Lohn, den der Mann ihm zahlte, hinzu. »Falls Ihr noch nichts von dem Rübeneintopf hattet, will ich ihn Euch empfehlen. Sind ein paar Stücke Schaf drin, unten am Boden — hängt es nicht an die große Glocke, dann merkt es keiner. Aber ich muss jetzt weiter. Habe noch eine Menge zu tun.« Unter anderem, wie ihm plötzlich einfiel, die Weinflasche aus der Reisetruhe zu holen. Bei dem Gedanken wurde ihm warm ums Herz. Er war vielleicht nicht mehr so fromm, wie er es einmal gewesen war, aber er tat immer noch das Werk der Götter. Bestimmt sahen sie mit Wohlgefallen auf ihn herab — bestimmt wollten sie Theron, dem Pilgerführer, Sohn von Lukos, dem Kesselflicker, nur Gutes. Schließlich hatten sie ihn ja schon so weit aufsteigen lassen.
    Der Krüppel zog etwas aus seinem Gewand, hielt es vor sich und winkte mit der keulenförmigen bandagierten Hand, bis der Junge es ihm abnahm. Auf eine geflüsterte Anweisung hin brachte das Kind es Theron.
    »Er sagt, das ist alles, was er noch hat. Ihr könnt es haben.«
    Theron starrte den dreckigen Jungen einen Augenblick verständnislos an, dann nahm er den Beutel. Der war schwer, und als er den Inhalt in seine hohle Hand kippte, zitterte diese — nicht wegen des Gewichts, sondern weil Theron plötzlich klar war, was er gleich sehen würde.
    Goldmünzen. Mindestens ein Dutzend. Und Silber und Kupfer im Wert von zwei oder drei weiteren Delphinen. Er sah erstaunt auf, doch der verkrüppelte Mann blickte schon wieder stumm auf das Tal hinaus, als hätte er nicht gerade eine Summe aus der Hand gegeben, die genügte, um jemanden wie Theron vom ausreichend verdienenden, aber hart arbeitenden Pilgerführer zum müßig lebenden Grundbesitzer mit Haus, Vieh und mehreren Bediensteten zu machen.
    »Wofür ist das? Warum zeigt er mir das?«
    »Er sagt, er muss nach Südmark«, antwortete der Junge nach einer kurzen Flüsterbesprechung. »Das ist der Grund, warum ihn die Götter zurückgebracht haben. Aber er kann nicht ohne jemanden gehen, der den Weg kennt — er findet den Weg nicht, nicht mal ... nicht mal mit mir.« Bei diesen Worten sah der Junge beleidigt drein; offensichtlich trafen sie ihn »Seine Augen sehen immer noch genauso viel von der Welt der Toten wie von der der Lebenden. Er fürchtet, dass er sich verirrt und zu spät dort ankommt.«
    Theron merkte, dass sein Mund offen stand wie eine Tür, die jemand zu schließen vergessen hatte. Er machte ihn zu und sofort wieder auf. »Zu spät?«
    »Nach Mittsommer. Dann ist es zu spät. In der Mittsommernacht werden alle Schläfer erwachen. Das hat er gehört, als er in den Landen der Götter war.«
    Der Pilgerführer konnte nur den Kopf schütteln. Als er die Sprache wiederfand, stotterte er. »N-n-noch mal, Junge ... damit ich's recht verstehe.« Er hätte nie gedacht, dass er jemals so viel Geld in Händen halten würde, und bezweifelte, dass für die anderen Pilger anderes galt. Seines Wissens waren das alles brave, götterfürchtige Leute, aber er wollte ihre Ehrlichkeit nicht auf eine allzu harte Probe stellen. »Dein Herr möchte all dieses Geld zahlen ... wofür genau?«
    Nach einer weiteren kurzen Besprechung mit der vermummten Gestalt sagte der Junge: »Dafür, dass er nach Südmark kommt. Dafür, dass er dorthin geführt und unterwegs beschützt wird. Dafür, dass er zu essen bekommt und ein Pferd zum Reiten.« Auf ein eindringliches Murmeln des verkrüppelten Mannes hin lauschte er diesem noch einmal. »Nicht nur ins Land Südmark, sondern nach Südmarksburg. In der Mitte der Bucht.«
    Selbst mit diesem unglaublichen Schatz in Händen zögerte Theron — nicht bei der Vorstellung, die Pilger im Stich zu lassen, sondern beim Gedanken, nach Norden zu reisen, durch Lande voller unbekannter Gefahren, und mitten hinein in etwas, das angeblich ein Krieg zwischen den

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