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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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Sprache, aber sehr verkürzt.« Er runzelte die blasse Stirn und starrte auf seine Hände, während er sein Gedächtnis anstrengte. »Die Botschaft lautete:
Ein Zunftvorsteher der Großwüchsigen ist lebend aus den Alten, Dunklen Landen zurückgekehrt. Er führt uns jetzt an. Außerhalb der Mauern bedrängt uns das Alte Volk, und wir können nicht lange standhalten. Wir ersuchen euch, um unseres gemeinsamen Blutes und unserer gemeinsamen Geschichte willen: Schickt uns Hilfe.«
Er sah auf, und seine großen Augen blinzelten. »Das war es mehr oder weniger.«
    Briony schüttelte den Kopf. »Aber was bedeutet das? ›Zunftvorsteher der Großwüchsigen‹ — die Großwüchsigen sind wir, ja? So nennt ihr uns doch. Aber wir haben keine Zunftvorsteher, nur einen König.« Ihr Herz schlug plötzlich schneller. »Meinen sie meinen Vater? Ist mein Vater zurückgekehrt? Wo sind die Alten Lande?« Ihr Puls raste, aber Dolomit schüttelte den Kopf »Ich glaube nicht, dass Euer Vater gemeint ist, Prinzessin — jeder weiß, dass er im Süden gefangen gehalten wird, in Hierosol. Die Alten Lande nennen wir das Gebiet, das hinter der Schattengrenze liegt. Die Lande derer, die Ihr die Zwielichtler nennt. Der Qar.«
    Zuerst fühlte sie nur Enttäuschung, dann ging ihr plötzlich ein Licht auf »Ein Zunftvorsteher der Großwüchsigen ist aus den Landen der Zwielichtler zurückgekehrt?« Ihr Herz schlug wieder schneller. »Mein Bruder — es kann nur mein Bruder Barrick sein! Er ist nach Südmark zurückgekehrt! Er ist wieder da! Oh, gepriesen seist du, Zoria!« Und zum Erstaunen und Erschrecken des kleinen Burschen bückte sie sich und küsste Kalk auf den Kopf. Prinz Eneas lachte, aber die übrigen Kallikan waren ziemlich verwundert. »Schnell, schnell!«, drängte sie Dolomit und Bleiweiß. »Können wir eine Botschaft zurückschicken? Sagt ihnen, dass ich hier bin — sagt ihnen, ich muss mit meinem Bruder sprechen?«
    Mit Erlaubnis ihrer Oberen holten Kalk und seine Kameraden Leitern und lange Schlagstäbe herbei, Gegenstände, die offensichtlich schon seit längerem nur für zeremonielle Zwecke benutzt worden waren (und auch das, danach zu schließen, wie schwer manche zu finden waren, nicht besonders häufig — Kalk kamen wieder die Tränen, diesmal vor Demütigung, weil der ganze Tempel nach der letzten Leiter abgesucht werden musste, die man zum Nachfüllen einer Deckenlaterne benutzt und nicht wieder zurückgestellt hatte). Endlich war alles bereit. Kalk saß mit einer Tontafel und einem Steingriffel zu Brionys Füßen, um ihre Botschaft zu notieren und nach besten Kräften in Worte zu übersetzen, die die Trommelsteine übertragen konnten.
    Unterbruck an Haus des Herrn. Glück auf! Wir hören eure Worte und preisen sie! Unser Zunftvorsteher und unser Oberpriester sind zugegen. Ebenso eine Zunftvorstehermutter der Großwüchsigen vom Haus des Herrn, die hier ist, aber dort ihren Bruder sucht. Bitte trommelt uns seine Worte. Wir grüßen euch, Brüder, und werden versuchen euch zu helfen, müssen aber mehr wissen.

    »Zunftvorstehermutter?«, fragte Briony, als Kalk diesen Wortlaut an seine Untergebenen weitergab, die daraufhin auf das Steinrund in der Wand zu schlagen begannen, als wäre es eine echte Trommel, wobei ihre mit Steinköpfen versehenen Holzstäbe seltsam arhythmische Klänge erzeugten. »Das klingt doch eine Spur verwirrend.«
    »Sie haben wohl kein Wort für ›Prinzessin«‹, sagte Eneas belustigt. »Ich will mir gar nicht vorstellen, wie sie mich wohl nennen.«
    Als die Botschaft getrommelt und dann noch einmal wiederholt worden war, warteten sie, doch so gespannt sie auch vor der Trommelwand standen — und dann nach längerer Zeit schließlich saßen, wo immer sie auf dem Boden ein Fleckchen gefunden hatten —, es kam keine Nachricht zurück.
    »Entweder sind sie weggegangen«, sagte der Oberpriester, »was seltsam wäre, da sie uns doch gerade erst eine Nachricht geschickt haben, oder etwas hat die Trommelsteinkette unterbrochen. Wir werden heute Abend noch einmal versuchen, sie anzutrommeln, und Euch Nachricht in den Palast schicken, falls wir irgendetwas hören.«
    »Ihr seid sehr freundlich«, sagte Briony, doch das rauschhafte Gefühl von vorhin war verflogen. Vielleicht hatte sie die Botschaft ja falsch gedeutet. Vielleicht hatten sich die Kallikan ja die ganze Botschaft nur eingebildet.
    »Kommt, Prinzessin«, sagte Eneas. »Es ist Zeit, nach Hause zu gehen.«
    Sie ließ sich durch das Labyrinth

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