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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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wütend
zu
sein —, dann solltest du dir Sorgen um mich machen.«
    O sanftmütige, barmherzige Zoria,
betete sie jetzt,
wo auch immer mein Bruder sein mag, bitte lass ihn weiterkämpfen! Lass ihn wütend bleiben!
    Die Zunft der Unterbruck-Kallikan, wie Dawet sie genannt hatte, war bereits im Hauptsaal versammelt. Von Bankreihen aus beobachteten die kleinen Leute aufmerksam und überwiegend schweigend, wie Briony und ihre Begleiter eintraten, was nur das Gefühl verstärkte, dass sie und der Prinz Darsteller in irgendeinem ungewöhnlichen Maskenspiel waren. Den Maßen seiner Benutzer entsprechend, war der Raum klein und niedrig. In der Mitte der vordersten Bank saß ein extrem runder, kleiner Mann mit einem gewaltigen wirren Bart und einem hohen Hut. Nachdem die Wachen den Besuchern bedeutet hatten, wo sie sich hinstellen sollten, hob dieser eindrucksvolle Würdenträger die Hand.
    »Willkommen, Prinzessin Briony von Südmark«, sagte er zu ihrer Erleichterung in demselben weitgehend verständlichen Dialekt, den die normalwüchsigen Syanesen sprachen — sie hatte befürchtet, dass die Kallikan womöglich eine eigene Sprache hätten. »Ich bin Zunftvorsteher Dolomit.«
    Sie machte einen sorgfältigen Knicks. »Seid bedankt, Zunftvorsteher. Es ist sehr liebenswürdig von Euch, dass Ihr mich so kurzfristig empfangt.«
    »Und es ist liebenswürdig von Euch, uns solch prächtige Geschenke mitzubringen.« Er lächelte, als mehrere der Wachen vortraten, um ihm die Ladeliste zu reichen. »Zwei Dutzend Yisti-Pickelköpfe«, las er vor und pfiff anerkennend durch die Zähne. »Das sind die besten überhaupt, scharf wie Glas und stark wie die Gebeine der Erde selbst? Und fünfzig Zentner ulosischer Marmor.« Er schüttelte erstaunt den Kopf. »In der Tat prächtige Geschenke — solch edles Arbeitsmaterial haben wir schon seit über einem Jahr nicht mehr gehabt. Wir sind von Eurer Großzügigkeit beeindruckt, Prinzessin.« Er blickte auf die Zunftmitglieder zu seinen beiden Seiten, ehe er die wachen Augen wieder auf Briony richtete. »Aber was, wenn wir fragen dürfen, ist der Grund für diese Liebenswürdigkeit? Nicht einmal von unseren eigenen Leuten außerhalb von Tessis erhalten wir heutzutage noch Besuch, von erlesenen Geschenken ganz zu schweigen.«
    »Die Bitte um einen Gefallen natürlich.« Briony hatte dieses Tänzchen aus neckischen Schmeicheleien und stahlharten Fragen schon hundert Mal vollführt. »Aber das wissen so kluge Leute wie Ihr doch längst.«
    »Wir haben es in der Tat vermutet.« Dolomit lächelte höflich. »Und wir werden natürlich mit größtem Interesse hören, welches Anliegen eine so bedeutende Frau in unseren bescheidenen Saal geführt hat. Doch zunächst ist da noch etwas, das wir nicht wissen.« Der Zunftvorsteher sah Eneas an, der immer noch seinen Reisemantel trug. »Wer ist der Mann, der da so stumm und wachsam neben Euch steht? Warum hält er sich unter unserem Dach vermummt wie ein Gesetzloser?«
    Zwei Männer der Leibwache des Prinzen stießen wütende Laute aus und hätten wohl ihre Klingen gezogen, doch Briony sah, wie Eneas sie mit einem geflüsterten Wort beruhigte.
    »Ihr ... Ihr meint ... Ihr wisst es nicht?« Briony verfluchte insgeheim ihre eigene Dummheit. Dawet hatte den Kallikan nichts von ihrem Begleiter gesagt, obwohl sie ihn ausdrücklich darum gebeten hatte. Ein Versehen — oder eine kleine Eigenmächtigkeit?
    »Nein. Warum sollten wir?«, fragte Dolomit.
    »Weil dieser Mann Euer Gebieter ist?«, rief einer der Leibsoldaten, dessen Empörung sogar über das Schweigegebot seines Herrn gesiegt hatte. »Prinz Eneas — Sohn und Thronfolger Eures Königs Enander?«
    Zoria, steh mir bei, wie konnte ich nur so dumm sein!
Briony war entsetzt über sich selbst. Sie hätte zuerst Eneas vorstellen müssen — nein, sie hätte ihn gar nicht mitbringen dürfen. Sie hatte dem Gefühl der Schwäche nachgegeben und sich einen starken Mann als Begleiter gesucht, statt die Sache einfach selbst in die Hand zu nehmen. Und jetzt wussten nur die Götter, was passieren würde.
    Eneas zog seine Kapuze herunter, und die Kallikan schnappten nach Luft und schnatterten durcheinander wie ein Schwarm aufgescheuchter Vögel. Einige standen von ihren Bänken auf und knieten nieder; selbst der Zunftvorsteher nahm seinen hohen Hut ab und kletterte von seinem Stuhl, um sich vor dem Prinzen zu verbeugen.
    »Vergebt uns, Hoheit«, rief er. »Das wussten wir nicht! Es war keine Missachtung, Euch oder Eurem

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