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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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Steinreliefs, die sich im flackernden Lampenlicht sonderbar dehnten und zusammenzogen. Briony erkannte einen Mann, der auf einem Fisch ritt, und einen anderen, der eine riesige Schlange zu einem komplizierten Knoten schlang, doch die meisten Motive waren schwerer auszumachen.
    Mehrere von den Unterbruck-Kallikan eilten hin und schlugen mit Stöcken auf das Metall der Tür. Nach einigem Warten schwang das große Portal auf, und dahinter war ebenfalls Lampenlicht. Zunftvorsteher Dolomit ging vor und führte sie alle durch die Türöffnung.
    Kaum, dass das Ende ihrer Prozession den dahinterliegenden Raum, der nur wenig kleiner war als der Zunftsaal, erreicht hatte und die Tür dröhnend hinter ihnen zufiel, erschien aus einem Gang am anderen Ende eine Gruppe von Kallikan in schwarzen Gewändern, wie Bleiweiß eines trug. Auf dem polierten Steinboden so vorsichtig tippelnd wie auf einem zugefrorenen See, eilten sie herbei und fielen vor dem Zunftvorsteher und dem Priester auf die Knie. Dann erhob sich einer und vollführte eine Reihe von rituellen Gesten, allerdings mit einer gewissen nervösen Hast. Er war fast so klein wie Bleiweiß, aber ein gutes Stück jünger und sehr dünn, und seine hervorquellenden Augen hatten etwas Erschrockenes.
    Noch erschrockener wirkten sie, als er sein Ritual beendet hatte und von Dolomit und Bleiweiß zu den anderen blickte, die schweigend dastanden und dem Ganzen zusahen. Er glotzte Briony, Eneas und die Wache des Prinzen an, die sich neben den Kallikan allesamt wie Riesen ausnahmen; Briony befürchtete schon, der kleine Mann würde auf der Stelle in Ohnmacht fallen. »O Großer Amboss«, sagte er schließlich zu Dolomit. »Großer Amboss des Herrn, woher wisst Ihr's? Woher wisst Ihr's?«
    Der Zunftvorsteher musterte ihn eine ganze Weile und schnaubte dann ärgerlich. »Woher weiß ich
was,
Kalk? Was im Namen der Grube schwatzt du da? Wir sind hier, um die Trommelsteine zu benutzen. Der Prinz von Syan selbst hat es befohlen?«
    Kalk sah ihn überrascht an, blickte dann wieder auf die imposanten Besucher und brach plötzlich in Tränen aus.
    Als er sich wieder gefasst hatte, führte er sie alle in die verborgenen Tiefen dessen, was eindeutig eine Art Tempel war, obwohl es den Kallikan sichtlich widerstrebte, darüber zu sprechen.
    »Es ist nur ... nun ja, wir haben schon seit Jahrzehnten über die Steine keine Botschaft mehr bekommen — seit der Zeit meines Vaters nicht mehr«, erklärte Kalk, »und damals war er selbst fast noch ein Junge! Also könnt Ihr Euch gewiss vorstellen, Großer Amboss, wie es für uns war, auf einmal zu hören ... ich war gerade auf dem Weg, es Euch und den anderen zu sagen?«
    »Haltet Eure Zunge einen Moment im Zaum, Mann, mir dröhnt ja der Kopf«, sagte der Zunftvorsteher. »Wollt Ihr sagen, dass jemand anderes die Trommelsteine benutzt hat?«
    »Wer würde das ohne Befugnis tun?«, fragte Bleiweiß empört, und sein kleiner Bart sträubte sich wie das Halsgefieder eines wütenden Gockels. »Wir werden ihn sofort vors Zunftgericht stellen?«
    »Nein, nein, ihr Herren?«, sagte Kalk so unglücklich, dass Briony befürchtete, der kleine Bursche würde abermals in Tränen ausbrechen. »Die Trommelsteine haben
gesprochen!
Sie haben zu uns gesprochen? Zum ersten Mal seit den Zeiten meines Vaters!«
    »Was? Was sagt Ihr da?«, fragte Dolomit, jetzt erstmals wirklich überrascht. Ein Raunen lief durch die übrigen Kallikan. »Wer spricht zu uns?«
    Kalk stieß die Tür zu einem letzten Raum auf, der dunkler war als alle anderen. Ein großes Rund von glattem, aber ansonsten unbearbeitetem Stein dominierte die hohe Wand vor ihnen; den Rest bildeten andere Gesteinsarten, die zu phantastischen Formen gemetzt waren. »Die vom Haus des Herrn — unsere Verwandten in Südmark.«
    Briony konnte nicht länger schweigen. »Heißt das, Ihr habt eine Botschaft von den Funderlingen aus Südmark erhalten? Um der Götter willen, was haben sie gesagt?« Eine Art schwindelnde Erregung verdrängte beinah, aber doch nicht ganz den Schauer, der sie überlief. Wie Dawet gesagt hatte, es geschahen seltsame Dinge — jeden Moment neue. Sie hatte von einer Halbgöttin geträumt, und jetzt nahm ihr Traum in der Wirklichkeit Gestalt an.
    Kalk sah seine Herren Erlaubnis heischend an, ehe er antwortete: »Die anderen ... die aus Südmark sagten ... es ist schwer, die Botschaft in normaler Sprache exakt wiederzugeben, weil die Trommelsteine eine eigene Sprache sprechen — unsere alte

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