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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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Vater gegenüber!«
    Briony fand es ein wenig ekelerregend, die Verwandlung dieser Leute zu sehen, die eben noch so ruhig, bedacht und dezent gewesen waren. »Es ist meine Schuld?«, sagte sie.
    »Nein, es ist meine«, entgegnete Eneas. »Ich dachte, ich halte mich da heraus und lasse Prinzessin Briony tun, was sie zu tun hat. Ich hätte mein Gesicht nicht vor den Untertanen meines Vaters verbergen dürfen. Ich bitte Euch um Verzeihung.«
    Die Kallikan nahmen die Worte des Prinzen mit Erleichterung auf Manche nickten sogar lächelnd, während sie sich wieder auf ihre Plätze begaben, so als sei das Ganze ein amüsanter, wenn auch etwas beängstigender Scherz gewesen.
    »Ihr seid sehr gütig, Prinz Eneas, sehr gütig.« Dolomit blickte nervös zwischen Briony und Eneas hin und her. »Natürlich werden wir alles tun, worum uns die Prinzessin bittet, Hoheit.«
    Brionys Magen war ein schwerer Klumpen. Indem sie mit Eneas gekommen war, hatte sie die Kallikan in eine Lage gebracht, in der ihnen gar keine andere Wahl blieb, als nach ihrer Pfeife zu tanzen. Das war eine Methode, zu bekommen, was man wollte, aber kein Weg, echte Verbündete zu gewinnen.
    »Ich erkläre Euch hiermit in aller Aufrichtigkeit«, wandte sie sich an Dolomit und die übrigen Kallikan, »dass ich den Prinzen nur um seine Begleitung gebeten habe, weil er einer meiner wenigen Freunde hier in Syan ist und ich den Hof nicht ohne irgendeine Eskorte verlassen konnte.«
    »Die Großwüchsigen im Weithallpalast halten uns doch wohl nicht für eine Gefahr für Edelfrauen?«, meldete sich ein besonders runzliger kleiner Kallikan neben Dolomit zu Wort. Es klang fast, als schmeichelte ihm der Gedanke.
    »Ich bin mir sicher, dass Ihr Syans Feinden gefährlich wärt«, sagte Briony. »Aber es waren nicht Eure Leute, die ich fürchtete. Ein Landsmann von mir ist erst kürzlich auf den Straßen von Tessis angegriffen worden, deshalb wollen meine Freunde hier nicht, dass ich mich ohne Begleitung irgendwo in der Stadt bewege.«
    »Und wer wäre ein besserer Begleiter für eine junge Frau als unser vielgerühmter Prinz?«, sagte Dolomit. »Wir sind beschämt, dass wir Euch nicht erkannt haben, Prinz Eneas.«
    »Und ich hätte mich Euch sofort zu erkennen geben sollen, Zunftvorsteher Dolomit, aber ich bin froh, dass wir uns endlich treffen. Ich habe immer nur Gutes über Euch gehört, und das von Männern, denen ich vertraue.«
    »Eure Hoheit sind zu gütig.« Dolomit sah aus, als würde er gleich vor Stolz anschwellen und losquaken wie ein Frosch während der Frühlingsüberschwemmungen.
    Briony atmete zum ersten Mal seit einer ganzen Weile wieder richtig aus. Trotz aller Fehler hatten sie die erste Hürde überwunden. »Ich will nicht noch mehr von Eurer Zeit verschwenden, Zunftvorsteher«, sagte sie. »Hier ist mein Ersuchen. Könnt Ihr mir bitte Eure älteste Trommel zeigen?«
    »Trommel?« Das Lächeln auf Dolomits Gesicht verschwand — er schien aufrichtig verdutzt und verwirrt. »Unsere älteste ... Trommel?«
    »Das ist alles, was ich weiß. Mir hat nur ... jemand sehr Bedeutendes gesagt, dass ich darum bitten soll.«
    Die Stille wich jetzt wieder Gemurmel, an dem sich auch mehrere Nebensitzer des Zunftvorstehers beteiligten, doch der Tenor schien Verblüffung zu sein.
    Der verhutzelte kleine Mann neben dem Zunftvorsteher begann plötzlich, aufgeregt mit den Fingern in der Luft zu wackeln. »Potzschlagwetter, mir kommt da eine Idee«, hob er an und runzelte dann so vehement die Stirn, dass sein Gesicht fast in seinem Bart verschwand. »Aber nein, das ist töricht ... es kann nicht ... oder doch?«
    »Bei den Ältesten der Erde?«, brach es aus Dolomit hervor. »Wärt Ihr so gut, uns Eure Idee mitzuteilen, Bleiweiß?«
    »Ich ... ich dachte nur ...« Der alte Kallikan wackelte noch schneller mit den Fingern neben seinem Kopf, sodass er aussah wie ein Flussschlammfisch; schließlich merkte er, was er da tat, und ließ es bleiben. »Dass ... vielleicht meint sie ... diese Trommel ... könnten das ... die
Trommelsteine
sein?«
    Daraufhin verstummte auch das letzte Geflüster, und es war jetzt völlig still im Saal. Aller Augen richteten sich erstaunt auf Briony.
    Ich muss noch die Götter selbst zur Verzweiflung bringen,
dachte sie.
Was habe ich jetzt wieder getan?

    Die Tage wurden wieder länger, stellte Theron Pelgriner mit Genugtuung fest: Stunden nach dem Nachtmahl stand die Sonne immer noch so weit über den Hügeln jenseits des Flusses, dass sie den ganzen

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