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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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sanft. Er konnte so ziemlich alles verzeihen, solange er nur Opalia nicht sagen musste, dass ihm ihr Kind verlorengegangen war. »Komm schon.«
    Flint hob den Kopf und blickte sich um, machte dann die Augen wieder zu, als wollte er weiterschlafen. Tragen konnte ihn Chert nicht — Flint war jetzt größer als sein Adoptivvater —, also musste er ihn am Arm hochziehen und den widerstrebenden Jungen aus der Bibliothek und quer durch den Tempel in ihr gemeinsames Zimmer zurückbugsieren. Ausnahmsweise schien ihnen das Glück hold: Offenbar hielt Vansen Bruder Nickel und die anderen Mönche mit den Vorbereitungen für die Tempelverteidigung beschäftigt. Flints neuerlicher Bibliotheksbesuch war anscheinend unbemerkt geblieben.
    »Warum hast du das gemacht, Junge?«, fragte er. »Die Brüder haben doch gesagt, du sollst da nicht hingehen — was wolltest du denn? Und was ist in Chavens Zimmer passiert?«
    Flint schüttelte schläfrig den Kopf. »Ich weiß nicht.« Er schwieg ein paar Schritte, sagte dann plötzlich: »Manchmal ... manchmal denke ich, ich weiß Sachen. Manchmal weiß ich auch Sachen — wichtige Sachen? Und dann ... weiß ich nichts.« Zu Cherts Erstaunen brach der Junge unvermittelt in Tränen aus, was Chert bei ihm noch nie erlebt hatte. »Ich weiß es nicht, Vater? Ich verstehe es nicht?«
    Chert nahm es in die Arme, dieses fremde Kind, dieses seltsame Geschöpf, drückte es an sich und fühlte, wie es von hilflosem Schluchzen bebte. Mehr konnte er nicht tun.

    Er hatte Flint gerade ins Bett gepackt, als es an der Tür klopfte. Müde hievte Chert sich hoch und machte auf: Da stand Chaven, die Augen weit und glänzend in dem dunklen Flur.
    »Habt Ihr den Jungen gefunden?«, fragte er.
    »Ja. Er ist wohlauf. Er war in der Bibliothek. Ich habe ihn gerade ins Bett gebracht.« Er trat beiseite und winkte den Arzt herein. »Setzt Euch, ich werde sehen, ob ich etwas Moosbräu auftreiben kann. Wisst Ihr jetzt wieder, was passiert ist?«
    »Ich kann mich nicht erinnern«, sagte Chaven. »Tatsächlich bin ich hier, um Euch etwas auszurichten. Ferras Vansen lässt sagen, sie hätten einen Weg gefunden, mit dem gefangenen Funderling zu sprechen.«
    Chert zog eine Augenbraue hoch.
»Ich
bin ein Funderling. Diese mordgierige Kreatur ist ein Drag.«
    Chaven machte eine begütigende Handbewegung. »Gewiss, natürlich. Verzeihung. Aber, jedenfalls, kommt Ihr? Hauptmann Vansen schickt nach Euch.«
    Chert schüttelte den Kopf »Nein. Ich muss bei meinem Jungen bleiben. Zu vieles hat mich schon von ihm weggeholt. Außerdem kann ich da nichts für Vansen tun. Wenn er mich wirklich braucht, werde ich morgen zu ihm kommen.« Er lächelte bitter. »Es sei denn natürlich, bis dahin hätten die Qar uns alle umgebracht.«
    Der Arzt wusste nicht recht, wie er darauf reagieren sollte. »Natürlich.«
    Als Chaven gegangen war, sah Chert noch einmal nach dem Jungen. Flints Gesicht war schlafweich, sein Mund offen, sein zerzaustes Haar noch heller als Zitronenquarz.
Was sollte das heißen?,
fragte sich Chert.
Er weiß, aber er weiß nicht.
Wie immer konnte Chert sich nur über das seltsame Geschöpf wundern, das er und Opalia sich da in ihr Leben geholt hatten, dieses Findelkind ... dieses lebende Rätsel.

    Utta zog am Arm der Älteren, um sie zurückzuhalten, doch mit wenig Erfolg. Beide kamen sie im Matsch der Hauptstraße ins Schliddern. Kayyin streckte träge eine Hand aus, um ihnen zu helfen, aber sie hatten sich schon wieder gefangen.
    »Nichts wird mich aufhalten, Schwester.« Merolanna atmete schwer, vor Anstrengung und wegen der Kälte. Ehe die Dornenbrücke zu wachsen begonnen hatte, waren die Tage schon schön warm gewesen, doch seit dieses monströse Projekt im Gange war, verhüllte nasskalter Nebel die gesamte Küstenlinie um Südmark, als ob sie den Sommer einfach übersprungen hätten und direkt im Dekamene oder noch später im Jahr gelandet wären.
    »Helft mir, Kayyin«, flehte Utta. »Die dunkle Fürstin wird sie umbringen.«
    »Vielleicht«, sagte der Qar. »Aber andererseits — wir leben ja alle noch. Meine Mutter scheint in diesen traurigen letzten Tagen ein wenig von ihrem Blutdurst verloren zu haben.«
    »Seid Ihr verrückt, Halbling?«, sagte Merolanna. »Ihren Blutdurst verloren? In diesem Moment tötet sie unsere Leute? Ich höre doch die Schreie?«
    Kayyin zuckte die Achseln. »Ich habe nicht gesagt, sie sei eine
gänzlich
andere geworden.«
    Merolanna marschierte entschlossen weiter und schlug Uttas

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