Die Daemmerung
meine ich dabei gesehen zu haben, wie er Geschäftsbeziehungen zu einem hiesigen Kaufmann anknüpfte ...« Er beäugte sie wieder, als wäre er sich nicht sicher, ob er vielleicht träumte. »Was macht Ihr hier? Noch dazu ... so angezogen?«
»Nicht hier in der Gaststube. Bringt Kennit zu sich und kommt hinauf in Euer Zimmer.«
»Feival?« Teodorus wurde blass. »Ist das wahr?«
»Ob es wahr ist? Glaubt Ihr, ich würde lügen? Er hat mich verraten!«
»Verzeiht, Hoheit, ich hätte nur nie ... ich meine ... beim Trickster, wer hätte das ahnen können?«
»Jeder von uns, wenn wir unseren Verstand beisammengehabt hätten.« Nevin Kennit richtete sich tropfend auf. Er hatte den Kopf in eine Schüssel mit kaltem Wasser gesteckt. »Hatte immer schon einen Hang zum Luxus, unser Feival. Ich habe ja gesagt, eines Tages verlässt er uns für einen reichen Mann ... oder sogar für eine reiche Frau. Tja, die hat er ja jetzt gefunden. Und er braucht sie nicht mal zu pudern.«
»Kennit!«, sagte Teodorus schockiert. »Nicht vor der Prinzessin.«
Briony verdrehte die Augen. »Das ist mir alles nicht neu, Finn, nur weil ich wieder eine Prinzessin geworden bin — geändert hat sich nur meine Kleidung.« Sie lachte bitter. »Und wie Ihr seht, ist auch da wieder alles beim Alten.«
Der dicke Stückeschreiber sah unglücklich drein. »Was werdet Ihr jetzt tun, Hoheit?«
»Was ich tun werde? Nein, die Frage lautet, was
wir
jetzt tun werden — und wir werden noch heute Nacht von hier verschwinden. Feival hat euch alle bezichtigt, meine Spione zu sein — vor dem König von Syan persönlich. Vielleicht sind schon Soldaten auf dem Weg hierher.«
Kennit stöhnte. »Dieser kleine Hurensohn!«
Finn machte ein ungläubiges Gesicht. »Die Soldaten des Königs?«
»Ja, Ihr Ausbund an Gedankenschnelle, und seid froh, dass ich hergekommen bin. So habt ihr wenigstens noch die Chance zu entkommen. Wir gehen nach Südmark.«
»Aber wie denn? Wir haben kein Geld, keinen Proviant ... Wie sollen wir zum Stadttor hinauskommen?«
»Das wird sich zeigen.« Sie zog das letzte der Goldstücke, die ihr Eneas geliehen hatte — einen glänzenden Delphin —, aus der Tasche und warf es Teodorus zu, der es bei aller Verwirrtheit doch geschickt fing. »Nehmt das und setzt Euch in Bewegung. Ich warte hier, während Ihr die anderen herbeischafft. Sind sie in der Nähe?«
Finn sah sich um. »Die meisten schon. Estir ist irgendwo hingegangen. Und der lange Dowan auch. Gebadet und rasiert.« Er rollte die Augen. »Könnte sein, dass er eine Frau hat.«
»Das ist mir gleich, Finn, sie müssen alle hier auftauchen, und zwar schnell.«
»Ich für mein Teil besorge erst mal einen Krug Wein zum Mitnehmen«, verkündete Nevin Kennit. »Wenn ich schon sterben muss, dann mögen die Götter verhüten, dass ich es nüchtern tue.«
Finn Teodorus stand ebenfalls auf. »Mögen die Götter über uns alle wachen«, sagte er. »Wie es scheint, ist das Leben einer Prinzessin nie langweilig und fast immer gefährlich. Ausnahmsweise einmal bin ich froh, dass in meinen Adern dickes Bauernblut fließt.«
30
Licht am Fuß der Treppe
Der soterische Mönchsgelehrte Kyros hielt die Qar nicht für Wesen aus Fleisch und Blut, sondern für die nicht von ihren Sünden losgesprochenen Seelen von Menschen, welche vor der Gründung der Trigonatskirche lebten. Phayallos bestreitet dies: Für ihn sind die Elben »wenn auch oft monströs, so doch eindeutig lebende Wesen«.
Eine Abhandlung über die Elbenvölker Eions und Xands
Obwohl es sich schon gefährlich anfühlte, allein nur im Freien zu sein, versammelten sich wieder Leute auf dem kleinen Platz vor dem Thronsaal, bauten Stände auf, feilschten um das, was jemand noch in seinem Rübenkeller gefunden oder in der Früh der unbewachten Ostlagune an mickrigen Fischen abgetrotzt hatte. Wie alle sah sich auch Matty Kettelsmit immer wieder furchtsam um, doch obwohl die mächtigen schwarzen Äste der Dornenbrücke immer noch über der äußeren Ringmauer hingen und ihre riesigen, stachligen Schatten den Marktplatz weitgehend in Düsternis tauchten, hatten die Zwielichtler selbst die Vorburg tatsächlich verlassen.
Nicht endgültig allerdings, fürchtete Kettelsmit: Von den Mauern aus konnte man durch den Rauch und Nebel immer noch sehen, wie sie sich in ihrem Lager drüben auf dem Festland bewegten, als wäre das Gemetzel der letzten Tage nie gewesen.
Niemand traute diesem plötzlichen Frieden, da der Rückzug so unlogisch
Weitere Kostenlose Bücher