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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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einen Hahn von genau der richtigen Farbe für irgendein Ritual brauchte? Hatte es etwas mit dem Spiegel zu tun, für den Brone sich interessierte?
    Den Kopf voller wirrer, furchtsamer Gedanken, aber zugleich von einer Erregung durchglüht, die sich ein bisschen wie Fieber anfühlte, eilte Matty Kettelsmit durch die überfüllte, von Aggressionen brodelnde Hauptburg zurück.

    Seine Mutter wurde, wie zu erwarten, wütend. »Was heißt, du gehst noch mal weg? Ich brauche Feuerholz1 Nicht genug damit, dass du hier hereinkommst wie ein Graf, Aaltopf verlangst, mir zumutest, Stunden am Herd zu stehen. Was für eine Teufelei heckst du jetzt wieder aus?«
    »Danke, Mutter, und dir auch einen guten Tag. Aber ich gehe noch nicht sofort.« Er duckte sich, um die enge Wendeltreppe hinaufsteigen zu können, ohne sich den Schädel einzuschlagen.
    Elan saß, Kissen im Rücken, in dem breiten Bett, das sie mit Puzzles Großnichten teilte, und stickte. Er war froh, sie kräftiger zu sehen, doch ihr Gesicht hatte immer noch jenen verstörten Ausdruck, den er für immer zu bannen gehofft hatte.
    »Edles Fräulein, seid Ihr allein?«
    Sie lächelte bar jeder Heiterkeit. »Wie Ihr seht. Die Mädchen sind bei den Nachbarn, um ihnen noch eine Decke abzuschwatzen — ihre Mutter und die Eure schlafen jetzt auf der Polsterbank unten, wenn Ihr Euch erinnert.«
    Er erinnerte sich wohl. Die geflüsterten Auseinandersetzungen der beiden älteren Frauen, die sich auf der schmalen Polsterbank drängten wie zwei missgelaunte Skelette in einem Sarg, waren der Grund, warum er jetzt wieder, so unbefriedigend es auch war, bei Puzzle im überfüllten Palast nächtigte. »Ich habe auf dem Marktplatz Bruder Okros getroffen. Wisst Ihr irgendetwas über ihn?«
    Elan sah ihn merkwürdig an. »Wie meint Ihr das? Ich weiß, dass er Hendons Leibarzt ist. Ich weiß, dass er voller sonderbarer Ideen steckt ...«
    »Was für Ideen?«
    »Ach, über die Götter, glaube ich. Ich habe nie richtig zugehört, wenn er bei uns am Tisch saß. Er hat geredet und geredet, von Alchemie und den heiligen Orakeln. Einiges schien mir blasphemisch, aber ...«, sie kräuselte angewidert die Oberlippe, »... Blasphemie hat Hendon noch nie gestört.«
    »Ist er ... habt Ihr je gehört, dass er magische Praktiken pflegt?«
    Elan schüttelte den Kopf. »Nein, aber wie ich schon sagte, ich kenne ihn kaum. Hendon und er haben oft noch spät in der Nacht miteinander geredet, zu den seltsamsten Zeiten, als ob Okros für ihn an etwas Wichtigem arbeitete, das nicht warten konnte. Hendon hat einmal einen Mann fast zu Tode prügeln lassen, weil der ihn aus seinem Mittagsschlaf gerissen hatte, aber Okros hat er jede Störung nachgesehen.«
    »Worüber haben sie gesprochen?«
    Elans Gesicht war jetzt so gequält, dass schon der Anblick schmerzte, und Kettelsmit wurde plötzlich klar, dass er sie dazu trieb, an Dinge zu denken, an die sie nicht denken wollte. »Ich ... ich weiß nicht mehr«, sagte sie schließlich. »Sie haben nie lange in meinem Beisein geredet. Hendon ist immer mit ihm in einen anderen Teil des Palasts gegangen. Aber einmal hörte ich den Arzt sagen ... was war es doch gleich, es war so sonderbar? Ah ja, er sagte zu Hendon: ›Die Perfektion hat sich zu verändern begonnen — sie verkündet jetzt eine andere Wahrheit.‹ Ich konnte damit gar nichts anfangen.«
    Kettelsmit dachte stirnrunzelnd nach. »Könnte es ›Reflexion‹ gewesen sein, nicht ›Perfektion‹?«
    Elan zuckte die Achseln. Er sah ihre verdüsterten Augen und wünschte, er hätte ihr das alles ersparen können. »Vielleicht«, sagte sie leise. »Ich konnte es nicht gut hören.«
    Die Reflexion hat sich
zu
verändern begonnen,
dachte er.
Sie verkündet jetzt eine andere Wahrheit.
Es ergab beunruhigend viel Sinn, wenn es sich auf den Spiegel bezog, von dem Brone gesprochen hatte. Und Elan hatte die Götter erwähnt. In Menos Gedicht ging es um eine herzlose Königin, die dem Kernios einen schwarzen Hahn opferte, damit sie ihre Feinde mit tödlichen Flüchen belegen konnte. War es das, was Okros plante? Dann wäre es nicht einfach nur ein Opferritual, sondern irgendeine Art schwarze Magie.
    Er musste es Avin Brone sagen. Dann, wenn er seine Pflicht getan hatte, konnte er in den nicht allzu heimeligen Schoß seiner Familie zurückkehren und seinen wohlverdienten Aaltopf genießen.

    Brone winkte einem pickligen jungen Mann, der an einem fadenscheinigen Wandteppich lehnte und sich mit einem glänzenden Messer

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