Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
herausgefunden, dass er für religiöse und philosophische Dinge nicht den Verstand und auch gar kein Interesse hatte.
    Einige Priester glaubten in mir einen Seelenverwandten zu erkennen. Das war natürlich falsch — mich hat esoterisches Wissen nie um seiner selbst willen interessiert. Ein einziges Sterblichenleben ist für solch ungerichtete, ungeordnete Studien zu kurz. Ich hatte nur eins im Sinn. Ohne die Wahrheit hatte ich kein Werkzeug, und ohne Werkzeug konnte ich die Welt nicht zu etwas umformen, das mir besser gefiel.
    Jedenfalls begannen mir die Bibliothekspriester von Büchern zu erzählen, von denen sie gehört, die sie aber nie gelesen hatten — zum ersten Mal begriff ich, dass es Schriften gab, die die Bibliotheken des Obstgartenpalastes nicht besaßen, Schriften, die in anderen Sprachen als der unseren verfasst und zum Teil nicht einmal ins Xixische übersetzt worden waren? Habt Ihr Euch schon gefragt, warum ich so gut Hierosolinisch spreche, König Olin? Jetzt wisst Ihr es. Ich habe es gelernt, damit ich lesen konnte, was die alten Gelehrten des Nordens über die Götter und deren Tun zu sagen hatten. Phayallos, Kofas von Mindan, Rhantys — vor allem Rhantys — ich habe sie alle gelesen, und ich habe auch nach den verbotenen Büchern des Südens gesucht. Ich fand schließlich ein Exemplar der
Chronik des Krieges im Himmel
in einem Tempel in der Nähe von Yist, wo einer meiner Vorväter die letzte der Elbenstädte in unserem Land zerstört hatte.«
    »Es gab Qar in Eurem Land?« Das war das erste Mal seit einer ganzen Weile, dass Olin etwas sagte, und es klang, fand Vash, als interessierte es ihn wider Willen.
    »Es
gab
sie, ja. Dafür haben meine Vorfahren gesorgt.« Sulepis lachte. »Die Falkenkönige sind nicht so sentimental wie ihr nordländischen Herrscher — wir haben nicht gewartet, bis eine Seuche unser halbes Reich vernichtet hatte, ehe wir dieses Elbenungeziefer vertrieben.
    In meiner Jugend hat mich meine Wahrheitssuche an manch seltsamen Ort getrieben. Ich grub Zylinderbücher aus den Schlangengräbern der Hayyiden aus, die die Ebenen bedecken wie Exkremente von Erdkatzen. Ich verhandelte an den Wüstenfeuern der
Golya,
jener Menschenfleischesser, von denen es heißt, dass sie auch noch Gestaltwandler sind — sich bei Vollmond in Hyänen verwandeln. Sie erzählten mir Geschichten aus den frühesten Tagen und zeigten mir die Steinzeichnungen, die sie bewahren, seit die Götter auf Erden wandelten. Von ihnen erfuhr ich das Geheimnis des Fluches Zhafaris', des Fluchs der Sterblichkeit, mit dem der größte Gott von allen die Menschen belegte, als seine Kinder sich gegen ihn kehrten.
    Ich plünderte sogar die Ruhestätte meiner eigenen Familie, die Eyrie der Bishakh, wo meine Stammesführer-Ahnen auf dem Gipfel des Berges Gowkha ruhen, die mumifizierten Leiber in Nester aus Sklavenknochen gebettet, die Gesichter gen Osten gerichtet, wo die Sonne der Auferstehung aufgehen wird. Als der Mond emporstieg und das Geheul der
Golya
aus den Wüstenschluchten heraufdrang, löste ich auf der Suche nach den Geheimnissen des Himmels Steintafeln aus den starren, toten Händen meiner Vorväter, während meine Wachen entsetzt vom Berg flohen.
    Doch alles, was ich erfuhr, bestätigte nur, was ich schon wusste. Die Götter mag es ja geben, aber ihre Macht ist verschwunden, und kein Mensch hat sie, nicht einmal die Autarchen von Xis. Meine Blutslinie mag ja auf den göttlichen Nushash zurückgehen, den Herrn der Sonne selbst, aber ich kann in einem dunklen Raum ohne Lampe kein Licht machen und auch die Lampe nicht ohne Feuerstein entzünden.
    Doch während ich den alten Gelehrten auf Wegen folgte, die so dunkel und so abschreckend waren, dass selbst die Bibliothekspriester mich schließlich mieden, lernte ich, dass das, was für meine Familie galt, nicht zwangsläufig für alle Menschen gilt. Von einigen Familien, so erfuhr ich, heißt es seit den frühesten Tagen, dass sie tatsächlich das Blut der Götter in sich tragen, oft über die
Pariki,
die Elben — die, die Ihr Qar nennt.«
    »Ich will nicht mehr von dieser Geschichte hören«, sagte Olin abrupt. »Ich bin müde und krank und bitte Euch um die Erlaubnis, mich in meine Kabine zurückzuziehen.«
    »Bitten könnt Ihr, so viel Ihr wollt«, sagte der Autarch und sah dabei leicht belästigt drein. »Es wird Euch nur nichts nützen. Ihr werdet diese Geschichte hören, und wenn ich Euch fesseln und knebeln muss, weil es mich nämlich amüsiert, sie Euch

Weitere Kostenlose Bücher